Frankfurter Rundschau, 19.8.2000
Ein Ende der Sanktionen?
Man muss sich fragen, was schwerer wiegt: das Wohlergehen von 23 Millionen Irakern oder die Sicherheit der Golfregion
Von Pierre Simonitsch
Zehn Jahre nach ihrer Verhängung haben die Wirtschaftssanktionen der UN gegen Irak zwar die Zivilbevölkerung an den Rand des Abgrunds gebracht, doch das Regime sitzt weiterhin fest im Sattel. Seit einiger Zeit mehren sich die Stimmen, diese nutzlose Übung abzubrechen. Dahinter steckt nicht nur Mitgefühl mit den darbenden Menschen, sondern auch Gewinnsucht. Irak war vor dem Golf-Krieg eine einzige Baustelle, auf der es viel Geld zu verdienen gab. Noch wesentlich größer muss jetzt der Nachholbedarf der Iraker sein. Die hohen Ölpreise machen das Land zu einem zahlungsfähigen Kunden, sobald "business as usual" auf der Tagesordnung steht. Die irakischen Fördermengen würden auch dazu beitragen, den Ölmarkt wieder ins Gleichgewicht zu bringen.
Die Sanktionen sind aber nicht ganz vergeblich. Sie haben Saddam Hussein immerhin daran gehindert, ein neues Arsenal von Massenvernichtungswaffen aufzubauen. Man muss sich die Frage stellen, was schwerer wiegt: das Wohlergehen von 23 Millionen Irakern oder die Sicherheit der Region. Ein politischer Sieg würde erneut Saddams Eroberungsgelüste anstacheln. Der Diktator hält aber sein ganzes Volk als Geisel. Sanktionen fortsetzen oder aufheben? Es ist ein echtes Dilemma.
Saddam von außen zu stürzen, wie die USA es sich vorstellen, scheint aussichtslos. Der einzige Weg liegt wahrscheinlich darin, das Wirtschaftsembargo zu lockern und als Gegenleistung von Bagdad Garantien für künftiges Wohlverhalten zu verlangen. Ein sicheres Rezept gibt es nicht - das müssen die Befürworter und die Gegner der Sanktionen erkennen.