taz 22.8.2000
DAS ARBEITSVERBOT FÜR ASYLBEWERBER WIRD FALLEN
Ein erster Schritt zur Menschenwürde
Sie müssen in Heimen leben und dürfen nur in Ausnahmefällen Wohnungen beziehen. Sie dürfen ihren Landkreis nur mit einer speziellen Genehmigung verlassen. Sie leben von Sozialhilfe, weil es ihnen verboten ist, zu arbeiten. Sondergesetze regeln die Höhe der Sozialhilfe, die in vielen Kommunen gar nicht mehr in Bargeld, sondern in Wertgutscheinen oder per Chipkarte oder im schlimmsten Fall als Fresspakete ausgezahlt wird. Um wenigstens ein einigermaßen erträgliches Leben zu haben, sind viele gezwungen, schwarzzuarbeiten. Asylbewerbern wird das Leben in der Bundesrepublik so schwer wie möglich gemacht. Durch die Sanktionen sollen sie täglich daran erinnert werden, dass sie nicht erwünscht sind.
Das soll in Zukunft - zumindest ein wenig - anders werden. Durch die Aufhebung des Arbeitsverbots, die die rot-grüne Regierung plant, bekommen Asylbewerber ein Stückchen ihrer Menschenwürde zurück. Sie sollen nach einer Frist von einem Jahr arbeiten dürfen. Dennoch bleiben sie Menschen zweiter Klasse: Das Arbeitsamt prüft jedes Mal, ob es nicht einen deutschen Bewerber gibt. Gut bezahlte und qualifizierte Jobs werden die Asylbewerber deshalb nur schwerlich finden.
Dennoch ist die Aufhebung des Arbeitsverbotes ein Schritt in die richtige Richtung. Durch die Möglichkeit zu arbeiten wird die alltägliche Lethargie und Trostlosigkeit aufgebrochen, die vielerorts in den Heimen herrscht. Die Menschen können ihren Alltag wieder strukturieren, der sonst aus Warten, Warten, Warten und manchmal einem Behördengang besteht. Durch einen Job haben sie die Möglichkeit, eigenständiger und selbstbewusster zu werden. Sie bekommen eine gewisse Perspektive, auch in Asylverfahren, die nicht selten zehn oder mehr Jahre dauern.
Die neue Regelung könnte auch zu einer minimalen Integration der Asylbewerber oder zumindest zu einer Annäherung zwischen Deutschen und Flüchtlingen beitragen. Die Argumente am deutschen Stammtisch werden auf jeden Fall noch dünner: Auf der Tasche liegen Asylbewerber künftig den Deutschen nicht mehr. Denn schlecht bezahlte Jobs gibt es zuhauf. Schon jetzt rufen Gaststätten und niedere Dienstleistungsgewerbe nach billigen Arbeitskräften.
Doch Integration kann nur entstehen, wenn Asylbewerber auch die Möglichkeit haben, in eigenen Wohnungen und nicht in Heimen an Stadträndern zu leben. Das diskriminierende Asylbewerberleistungsgesetz muss deshalb abgeschafft werden. Das wäre ein konsequenter Schritt der rot-grünen Bundesregierung, die momentan so vehehement für Antirassismus und Toleranz wirbt. JULIA NAUMANN