Frankfurter Rundschau, 23.8.2000
SPD will Asylbewerber am Flughafen zügig Haftrichtern vorführen
Wiefelspütz verlangt Entscheidung über Einreise oder Abschiebehaft nach 19 Tagen / Anwalt: Problem wird nur verlagert
Von Frauke Haß
Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, hat sich dafür ausgesprochen, die Asylbewerber im Flughafenverfahren künftig nach 19 Tagen dem Haftrichter vorzuführen. Damit sollten monatelange Aufenthalte im Airport-Transit verhindert werden.
FRANKFURT A. M., 22. August. Der Rhein-Main-Flughafen sei "kein geeigneter Ort" für den längeren Aufenthalt von Flüchtlingen, sagte Wiefelspütz der FR. Darum solle künftig der Haftrichter das Verfahren nach 19 Tagen abschließen und entscheiden, ob ein Flüchtling einreisen dürfe oder in Abschiebehaft komme. Darüber müsse mit dem Land Hessen nun noch verhandelt werden. Er rechne im September mit einer Entscheidung. Aus "präventiven Gründen" könne man nicht ganz auf das Flughafenverfahren verzichten.
Wiefelspütz' Fraktionskollege Rüdiger Veit, stellvertretender Sprecher des Innenausschusses, unterstützt dessen Vorschlag, votiert aber für längstens 30 Tage Aufenthalt im Transit. Ein wochen- oder monatelanger Freiheitsentzug, auch wenn er offiziell "freiwillig" sei, sei in einem Rechtsstaat nicht hinnehmbar, "ohne dass ein Richter darüber befindet". Aus seiner Sicht sei das keine Verschlechterung für die Flüchtlinge, die jetzt schon nach Ablauf der 19 Tage die Wahl haben, freiwillig im Transit zu bleiben oder dem Haftrichter vorgeführt zu werden. Die meisten entscheiden sich aus Angst vor der Haft fürs Bleiben. Möglicher Kritik begegnete Veit vorab: Er sei "nicht davon überzeugt, dass Frankfurter Haftrichter automatisch einen Haftbefehl erlassen. Ich rechne damit, dass die große Menge der Menschen einreist." Besonders für Familien wäre das günstig. "Ich glaube nicht, dass ein Haftrichter eine Familie verhaften würde."
Das sieht Rechtsanwalt Abdul Issa anders: "Das wäre keine Lösung, sondern nur eine Verlagerung des Problems in die Abschiebehaft." Issa ist einer der Anwälte, die die vom Bundesverfassungsgericht vorgeschriebene "asylrechtskundige Beratung" vornehmen. Seiner Erfahrung nach wandern 95 Prozent der dem Haftrichter vorgeführten Flüchtlinge ins Gefängnis, "auch Minderjährige und Familien".
Eine Verschlechterung der Lage für die Flüchtlinge befürchtet auch die Vorstandsvorsitzende des Evangelischen Regionalverbands Frankfurt, Esther Gebhardt: "Das Problem wird verschoben. Damit einhergehen müsste auf jeden Falle eine Begrenzung der Haft auf drei Monate."
Im neuen Flughafen-Transitgebäude, das von Herbst 2001 an 150 Flüchtlinge fassen soll, soll es nach Vorstellung des Hessischen Sozialministeriums die Möglichkeit geben, männliche Flüchtlinge, deren Verfahren nach 19 Tagen abgeschlossen ist, aus Sicherheitsgründen separat unterzubringen, sagt der zuständige Referatsleiter Manfred Racky: "Wer noch Hoffnung hat, wird weniger Anstrengungen unternehmen, rauszukommen." Aus Veits Sicht könnte dort auch ein Teil der Abschiebehäftlinge untergebracht werden.
Laut Racky wird sich im September entscheiden, ob der jetzt von Caritas und Evangelischem Regionalverband getragene Flughafensozialdienst europaweit ausgeschrieben wird. Zwar sei eine Ausschreibung nicht vorgeschrieben, es bestehe jedoch die Gefahr, dass "die Rechnungshöfe die fehlende Ausschreibung aus Kostengründen bemängeln. Das ist also keine Bosheit", sagt Racky. Gebhardt sagt, sie habe kein Problem mit einer Ausschreibung, wenn die Qualität zum Kriterium gemacht werde: "Wenn es aber nur um die finanzielle Seite geht, kann die Kirche mit den Privaten nicht mithalten." In dem Fall wäre die Ausschreibung "ein Politikum".