taz Berlin 24.8.2000
Mit Polizeirazzien gegen rechts
Innensenator Eckart Werthebach (CDU) will die rechte Szene durch Kontrollen an ihren Treffpunkten massiv verunsichern. Der Polizei sind derzeit 33 Treffpunkte rechtsgerichteter Jugendlicher bekannt. Etwas mehr als die Hälfte liegen im Ostteil der Stadt
von UWE RADA und DOROTHEE WINDEN
Innensenator Eckart Werthebach (CDU) will die rechte Szene Berlins mit Polizeirazzien massiv verunsichern. "Die Polizei muss an den Treffpunkten der Rechten erscheinen und dort regelrechte Razzien durchführen", sagte Werthebach im taz-Interview. "Wir signalisieren damit: Wir kennen dich, wir wissen, wo du wohnst, und wir können dich jederzeit wieder besuchen, um festzustellen, welche Aktivitäten du entfaltest."
Auch der Verfassungsschutz soll rechtsgerichtete Jugendliche an ihren Treffpunkten ansprechen und Informationen mit barer Münze vergelten. "Man nimmt 50 Mark in die Hand und fragt die Skinheads, was macht ihr so, was habt ihr vor." Dies müsse noch nicht einmal verdeckt geschehen, sagte Werthebach. Erfahrungen mit dieser Art der Informationsgewinnung hat das Bundesamt für Verfassungsschutz bereits 1994/95 gesammelt. Die Verlässlichkeit der Informationen müsse natürlich überprüft werden, so Werthebach. "Selbst wenn ich mal 50 Mark in den Sand setze und dafür beim Übernächsten eine richtige Information kriege, ist es immer noch gut angelegtes Geld."
Grundlage für die geplanten Razzien ist eine Liste mit 33 Treffpunkten rechtsgerichteter Jugendlicher, die die Polizei auf Veranlassung des Innensenators zusammengestellt hat. An den Orten treffen sich Grüppchen von bis zu 30 rechten Jugendlichen. 57 Prozent der Treffpunkte liegen im Ostteil der Stadt, beispielsweise in Marzahn, Lichtenberg, Treptow und Pankow. Es handle sich aber keinesfalls ein Ost-Problem, sagte Werthebach. Auch Neukölln sei "sehr weit oben angesiedelt". Die wenigsten Treffpunkte gebe es in Mitte, Tiergarten, Kreuzberg und Zehlendorf.
Werthebach stellte fest, dass offensichtlich im Ostteil Gewalt- und Straftaten von Rechten begangen werden, die im Westteil der Stadt wohnen. Der Innensenator sieht zwei Deutungsmöglichkeiten: Es sei zum einen denkbar, dass Rechtsextremisten aus dem Westen glauben, dies im Osten besser tun zu können. Zum anderen könnte es sich um Täter handeln, die aus dem Ostteil in den Westteil gezogen sind und ihre Verbindungen noch immer im Ostteil haben.
Gezielte Personenkontrollen hat die Polizei bereits im Frühsommer und Sommer 1999 an rechten Treffpunkten in Marzahn durchgeführt. Die Polizei überprüfte dort die Personalien der Jugendlichen und suchte auch nach Waffen.
Nach Werthebachs Vorstellungen soll die Polizei künftig auch bei rechten Jugendlichen, die durch einschlägige Straftaten aufgefallen sind, Hausbesuche durchführen. Dieses Instrument ist bereits bei Hooligans und Autonomen angewandt worden.
Bei den Hausbesuchen werde den Einzelnen vor Demonstrationen oder anderen Großereignissen klargemacht, dass die Polizei sie im Visier habe. Damit sollten sie von ihren möglicherweise beabsichtigten Straftaten abgebracht werden. Das Konzept entstand bei der Bekämpfung der RAF.