Frankfurter Rundschau, 25.8.2000
Munitionsfabrik birgt Sprengstoff
Ausfuhrgenehmigung für Türkei löst Streit in Koalition aus
Von Helmut Lölhöffel
Deutsche Rüstungsgeschäfte mit den rivalisierenden Nato-Partnern Türkei und Griechenland bringen neuen Zwist in das rot-grüne Regierungsbündnis. Auch in der CDU wird über eine Panzerlieferung an die türkische Armee diskutiert.
BERLIN, 24. August. Die hessische Industrieausrüster-Firma Fritz Werner und ein Subunternehmen der türkischen Armee haben einen Vertrag über die Lieferung einer Munitionsfabrik an die Türkei abgeschlossen. Die deutsche Botschaft in Ankara bestätigte am Donnerstag das Geschäft, das sich auf rund 90 Millionen Mark belaufen soll.
Die Lieferung der Munitionsfabrik wird von der Bundesregierung offenbar gebilligt, das Wirtschaftsministerium hat nach eigenen Angaben eine Ausfuhrgenehmigung erteilt. Das Ministerium erklärte laut ap, die Genehmigung gehe auf eine Voranfrage der Firma zurück, die noch unter der Regierung Kohl positiv beschieden worden sei. Deshalb habe für die neue Regierung eine "rechtliche Verpflichtung" bestanden.
Ob ein Beschluss des für Rüstungsexporte zuständigen Bundessicherheitsrats vorliegt, ist unklar. Keines der beteiligten Ministerien wollte darüber Auskunft geben. Angeblich soll es Absprachen außerhalb des Bundessicherheitsrats gegeben haben. Welche Minister eingeweiht waren, ließ sich nicht klären. Aus einer Quelle war zu hören, dass Außenminister Joschka Fischer (Grüne) und Entwicklungsministerin Heidi Wieczorek-Zeul (SPD) Einwände dagegen haben.
Nach dem rot-grünen Streit über die Lieferung eines Testpanzers an die türkische Armee, der 1999 die Koalition an den Rand einer Krise gebracht hatte, steht jetzt eine neue Auseinandersetzung bevor. Darauf deuten erste Proteste von den Grünen hin. Die Abgeordnete Angelika Beer, Mitglied des Verteidigungsauschusses, sagte der FR: "Es ist vollkommen unakzeptabel, dass eine solche Entscheidung getroffen worden ist." Nachdem klar sei, dass keine deutschen Panzer an die Türkei geliefert werden dürfen, müssten "die gleichen Kriterien auch für Waffen und Munition gelten". Die Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses, Claudia Roth, sagte der FR: "Das ist ein klarer Verstoß gegen die Rüstungsexportrichtlinien und politisch falsch." Auch sei der Verkauf einer Munitionsfabrik "kein Freundschaftsdienst für die Türkei, denn sie hat andere Probleme zu lösen".
In der CDU wird über die mögliche Lieferung von Panzern des Typs "Leopard 2A5" an die Türkei diskutiert. Während der europapolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Friedbert Pflüger, und ihr Verteidigungssprecher Paul Breuer ein solches Geschäft befürworten, meldete sich in der Berliner Zeitung der Menschenrechtssprecher der Fraktion, Hermann Gröhe, zu Wort und lehnte einen Panzerexport ab. "Ich habe gegenwärtig Bedenken gegen ein solche Geschäft", sagte Gröhe. Die Türkei müsse sich bei der Verwirklichung von Menschenrechten "noch ein gehöriges Stück" bewegen.