Frankfurter Rundschau, 25.8.2000
Heiße Munition
Die politische Praxis beim deutschen Rüstungsexport in die Türkei ist widersprüchlich - wer so herumlaviert, wird unglaubwürdig
Von Helmut Lölhöffel
Ein unbegreiflicher Widerspruch: Erst nimmt die Bundesregierung Abstand von der Lieferung eines Testpanzers an die türkische Armee, bald danach billigt sie den Verkauf einer Munitionsfabrik - an die Türkei. Es gibt keinen Unterschied: Panzer können zur Verteidigung, aber auch im Inneren des Landes eingesetzt werden, Patronen ebenso. Die türkische Armee führt Krieg in Kurdistan, und sie hält völkerrechtswidrig einen Teil Zyperns besetzt. Beides darf mit deutschen Waffen nicht unterstützt werden.
Erst vor einem Jahr war die rot-grüne Regierung in eine Krise geschlittert. Sie konnte beigelegt werden, indem die Richtlinien für die Ausfuhr von Rüstungsgütern neu gefasst wurden. Darin bekam "die Beachtung der Menschenrechte im Bestimmungs- und Endverbleibsland" besonderes Gewicht. Diese Passage war als Fortschritt bewertet worden.
Doch die erste Bewährungsprobe in der Praxis sieht unlogisch aus. Denn im Falle der Türkei ist das Kriterium "Menschenrechte" nicht zweifelsfrei gesichert. Und niemand kann kontrollieren, ob dort produzierte Munition weiterverkauft wird.
Aber nicht nur nach diesen Maßstäben, sondern auch unter außenpolitischen Gesichtspunkten ist die Genehmigung des Baus dieser Munitionsfabrik heikel. Denn einerseits wird der Türkei die EU-Mitgliedschaft in Aussicht gestellt, und andererseits wird dem Nachbarn Griechenland, der sich bedroht fühlt und seinerseits aufrüstet, die Lieferung von 250 Kampfpanzern angeboten.
Wer so herumlaviert, wird unglaubwürdig.