Kölner Stadtanzeiger, 26.08.2000
Der alte Streit um den Leopard
Die Auseinandersetzung um Waffenausfuhren in die Türkei hat eine Vorgeschichte
Von Stefan Sauer
Rüstungsgeschäfte zwischen der Türkei und Deutschland haben eine lange Tradition. Seit 1964 verkaufte die Bundesrepublik dem Nato-Partner Rüstungsgüter im Wert von insgesamt mehr als sieben Milliarden Mark - vom Kampfjet über gepanzerte Fahrzeuge bis zur Fregatte.
Mehr als die Hälfte der Artillerie stammt aus deutscher Produktion, seit 1988 verfügt das türkische Heer über 397 Kampfpanzer älterer Leopard-Typen. Sturmgewehre und Maschinenpistolen deutscher Bauart werden von der Türkei in Lizenz produziert.
Hinzu kamen nach der Wiedervereinigung riesige Waffenmengen aus Beständen der Nationalen Volksarmee, die Ankara kostenlos erhielt: unter anderem 300 Schützenpanzer, 100.000 Panzerfäuste, mehr als 250.000 Kalaschnikows einschließlich 445 Millionen Schuss Munition.
Nach dem Machtwechsel im Herbst 1998 wurde die Exportbereitschaft deutscher Rüstungsunternehmen bereits schon einmal zum Zankapfel innerhalb der rot-grünen Bundesregierung. Jenes Kapitel weist gewisse Ähnlichkeiten mit dem aktuellen Streit um die Lieferung der Munitionsfabrik auf.
Im Oktober vergangenen Jahres hatte der Bundessicherheitsrat mit drei (Kanzler Schröder, Verteidigungsminister Scharping und Wirtschaftsminister Müller) gegen zwei Stimmen (Außenminister Fischer, Entwicklungshilfeministerin Wieczorek-Zeul) die Lieferung eines Testpanzers vom Typ Leopard II beschlossen.
Der sich anschließende Koalitionsstreit drehte sich allerdings nicht um jenes Einzelexemplar, sondern um die damit in den Augen der Grünen vorweg genommene Entscheidung über die Lieferung von insgesamt 1000 Leopard-II-Panzern im Wert von 14 Milliarden Mark.
Angesichts der ungelösten Kurdenfrage seien Waffenlieferungen an die Türkei empörend, hieß es bei den Grünen. Es gehe dem großen Koalitionspartner wohl mehr um Wachstum und Arbeitsplätze als um die Einhaltung von Menschenrechten und der Exportrichtlinien für Rüstungsgüter.
Nach Angaben aus der Branche würde ein türkischer Auftrag über 1000 Panzer bei dem Hersteller Krauss-Maffei für zehn Jahre 6000 Jobs sichern. Die SPD verwies auf das unwegsame Gelände in den Kurdengebieten, wodurch ein Einsatz türkischer Leopard II gegen die Minderheit nicht in Betracht käme.
Zudem hatte der Bundessicherheitsrat die Lieferung von Einzelteilen für 125 Haubitzen mit dem Argument abgelehnt, diese könnten gegen Kurden eingesetzt werden.
Der Zank um die Panzer führte zu einer Verschärfung der Rüstungsexport-Richtlinien, auf die sich Rot-Grün im Januar verständigte und die auf dem Verhaltenskodex der EU für Waffenausfuhren fußt. Vom Tisch ist der Leo-Streit freilich noch nicht endgültig: Ankara hat noch nicht über die Auftragsvergabe für die 1000 Panzer entschieden - und die Bundesregierung noch nicht über ein endgültiges Ja oder Nein.