Das weltweite Waffen-Mo
Die EU konnte sich nicht auf verbindliche Kriterien einigen
Von Anselm Bengeser
Frankfurt. Der immer wieder aufflackernde Koalitionsstreit um Waffen für die Türkei ist nur ein Teil des großen Rüstungs-Monopoly. Weil die Industrie immer modernere Systeme auf den Markt wirft, schwappt die vorherige Welle angeblich veralteter Waffengenerationen nahezu unkontrolliert um den Globus. Vor allem aber die gewaltigen Ströme von Kleinwaffen und Munition werden öffentlich kaum registriert. Das weltweite Geschäft mit Rüstungsexporten schwankt je nach Großaufträgen von Jahr zu Jahr beträchtlich. Allein 1996 betrug der Umsatz rund 40 Milliarden Dollar. Hinzu kommen kaum bezifferbare Mengen von "Dual-Use"-Gütern, Produkte, die sowohl zivil als auch für die Kriegführung nutzbar sind. Deutschland achtet strikt auf die Menschenrechte, doch stößt die Bundesregierung dabei manchmal in Grenzbereiche vor, in denen politisch entschieden werden muss, was schwerer wiegt: die moralische Mitverantwortung am möglichen Tod Tausender oder aber die außenpolitische Vernunft und die Stabilität ganzer Weltregionen. Viele Staaten machen sich noch nicht einmal die Mühe einer Abwägung. Der Versuch der Europäischen Union, verbindliche Kriterien einzuführen, scheiterte bislang am Einspruch der vor allem in Frankreich und Großbritannien einflussreichen und staatlich subventionierten Rüstungslobby. Zwar beschloss die EU im Mai 1998 einen Kodex für Waffenexporte, und die 15 Mitgliedstaaten erlegten sich "besondere Vorsicht und Wachsamkeit" hinsichtlich "schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen" auf. Doch wird die Beurteilung der Zustände im Zielstaat der Waffenexporte vorerst noch jedem einzelnen EU-Land überlassen - und damit vor allem dem geschäftlichen Kalkül. Der Türkei, einerseits enger Nato-Verbündeter, andererseits im Krieg mit den Kurden, wurden deutsche Rüstungsgüter in der Vergangenheit immer wieder geliefert. Doch geschah dies unter der Bedingung, dass diese Waffen nicht gegen die Kurden oder grenzüberschreitend eingesetzt werden. Und die Bundesregierung vertraute Ankara. Noch im Januar 1999 erklärte sie im Parlament, dass sie allen Hinweisen auf einen Missbrauch deutscher Exportwaffen "sehr sorgfältig" nachgegangen sei und "in keinem Fall ein Beweis für einen Verstoß gegen Verpflichtungen erbracht" sei. Diese "Hinweise" hatten sich damals darauf bezogen, dass die Bundesrepublik die Ausrüstung der Nationalen Volksarmee der untergegangenen DDR in Massen in die Türkei verhökert hatte. Ob die Bundesregierung den Türken zu Recht Glauben schenkte, ist schwer zu beurteilen. Aber es gibt Anhaltspunkte, dass Waffen der Ex-DDR, darunter 250 000 Kalaschnikoffs, nicht in der Türkei geblieben sind und in Bürgerkriegen vom ehemaligen Jugoslawien bis hin zum Kaukasus eingesetzt werden. Der Friedensforscher Peter Luck nennt es zornig einen "Skandal, dass Gewehre und Munition in der Welt fast wie Massenkonsumgut" gehandelt werden.