Basler Zeitung (CH), 26.08.2000
Türkei fordert Auslieferung eines Schweizers
Bern. Seit Mitte Juli sitzt der Schweizer Naci Öztürk in Slowenien im Gefängnis. Die Türkei wirft dem im Juni dieses Jahres eingebürgerten Öztürk zweifachen Mord vor und hat offenbar bereits am Donnerstag beim slowenischen Justizministerium ein Auslieferungsgesuch deponiert. Anfang 1999 hatte die Türkei Öztürk via Interpol zur Fahndung ausgeschrieben. Am 17. Juli wurde er beim Grenzübertritt nach Kroatien von den slowenischen Behörden verhaftet.
Am Freitag teilte der Vizepräsident des Gerichts in der slowenischen Stadt Koper mit, Öztürk bleibe in Haft, bis ein Senat des Gerichts entscheide. In letzter Instanz sei das slowenische Justizministerium zuständig. Öztürk werden laut Angaben des Gerichts Mord, Beihilfe zum Mord und Angriff auf eine Polizeistation im Jahre 1980 vorgeworfen. 1983 hat der Gewerkschafter Öztürk die Schweiz um politisches Asyl ersucht, das ihm nach Prüfung durch das Bundesamt für Polizeiwesen (BAP) gewährt wurde. Als die Schweizer Behörden Anfang 1999 vom reaktivierten Fahndungsgesuch der Türkei erfuhren, überprüften sie den Fall ein weiteres Mal. Sie befanden, Öztürk sei ein anerkannter Flüchtling und werde deshalb nicht ausgeliefert. Öztürk selbst wurde allerdings nicht informiert, dass er nun international gesucht wurde. «Unserem Amt sind die Hände gebunden», wehrt sich BAP-Sprecher Folco Galli gegen die von Parlamentariern und Medien erhobenen Vorwürfe, dass Öztürk nicht gewarnt worden ist. «Hier wird Amtsgeheimnis gegen Menschenwürde abgewogen», empört sich National- und Europarätin Ruth-Gaby Vermot (SP/BE), die sich in den vergangegen Wochen gemeinsam mit Franziska Teuscher (Grüne/BE) und dem GPK-Präsidenten Alexander Tschäppät (SP/BE) dafür eingesetzt hat, eine Auslieferung Öztürks zu verhindern. Weder Öztürks Schweizer Anwalt Marcel Bosonnet noch die zuständige Anwältin in Slowenien erhielten Einsicht in das Auslieferungsgesuch. Von der Schweiz, die laut BAP während der vergangenen Wochen «alles diplomatisch Mögliche unternommen hat», erwartet Bossonet weitere Interventionen. «Gerade im Fall der Türkei, wo mit zusätzlichen Schwierigkeiten wie Folter und Todesstrafe zu rechnen ist, muss sie für die Sicherheit ihrer Bürger eintreten.» InfoSüd/DPA