Die deutsche Kritik
Berlin/Ankara. Die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei blieben in den vergangenen Jahren nicht ohne Spannungen. Erst im Frühjahr sorgte der Wunsch Ankaras nach der Lieferung deutscher Leopard-2-Panzer für Verstimmungen. Bei der Respektierung von Menschenrechten sieht sich die Türkei immer wieder internationaler Kritik ausgesetzt. Ende März hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die Türkei zum wiederholten Mal wegen unmenschlicher Behandlung und nachlässiger Ermittlungen im Fall von zwei Kurden verurteilt. Auch unmittelbar vor dem Staatsbesuch von Bundespräsident Johannes Rau im Frühsommer beklagten mehrere Bundesabgeordnete die Menschenrechtslage in der Türkei. Für politische Auseinandersetzungen sorgt auch der Wunsch der Türkei nach einem Beitritt zu Europäischen Union (EU). Die Türkei ist seit 1963 der EU durch ein Assoziierungsabkommen verbunden, seit 1996 gibt es eine Zollunion. Im Dezember 1999 sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder, bevor über einen Beitritt zur EU verhandelt werden könne, müsse die Türkei die politischen Kriterien für eine Mitgliedschaft erfüllen: Demokratie, Achtung der Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Minderheitenschutz. Die EU erkennt die Bemühungen Ankaras um Reformen durchaus an. So soll im November ein Abkommen über die "Beitritts-Partnerschaft" unterzeichnet werden. In der Türkei sieht man auch die Notwendigkeit, den Artikel 312 aus dem Strafgesetzbuch zu streichen, der die Verfolgung von Meinung ermöglicht. Die Todesstrafe wird zumindest nicht mehr vollstreckt. Die Anwesenheit von 2,1 Millionen Türken in Deutschland gibt dem Verhältnis beider Länder eine besondere Qualität. Die Türken stellen in Deutschland die größte ausländische Gruppe. Nach Angaben des Zentrums für Türkeistudien gibt es 51 000 türkische Unternehmen, die in 91 verschiedenen Branchen tätig sind und einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor darstellen. Deutschland ist vor den USA und Italien wichtigster Handelspartner der Türkei. Das Gesamtvolumen des Außenhandels stieg von 1992 bis 1998 von 13,4 Milliarden auf 24,3 Milliarden Mark. Das türkische Handelsdefizit wurde zum großen Teil durch deutsche Touristen (1999 rund 1,5 Millionen) und Devisen der türkischen Arbeitnehmer aus Deutschland wieder ausgeglichen. Die kulturellen Beziehungen gelten als traditionell eng und freundschaftlich. Während der Nazi-Zeit emigrierten viele deutsche Wissenschaftler in die Türkei und engagierten sich beim Aufbau der jungen Republik. Unter ihnen waren der Wirtschaftswissenschaftler Fritz Neumark, der Komponist Paul Hindemith und der Berliner Bürgermeister Ernst Reuter.