Schwarze Schafe verderben das Geschäft
Wegen Zahlungsunfähigkeit hat die Istanbul Airlines in der vergangenen
Woche den Flugbetrieb eingestellt. Der Zusammenbruch der größten
privaten Fluggesellschaft der Türkei ist symptomatisch für die Branche.
Schwarze Schafe machen seriösen Firmen das Leben schwer.
Von Jan Keetman, Istanbul
Istanbul Airlines, die in ihrer besten Zeit bis zu 17 Flugzeuge im Einsatz hatte
und 2,5 Millionen Passagiere im Jahr beförderte, hatte am Donnerstagabend
der türkischen Luftfahrtbehörde mitgeteilt, dass sie den Flugbetrieb
einstelle. Als Grund nannte der Chef der Fluggesellschaft, Safi Ergin, die hohen
Flugpreise, das große Erdbeben vom vergangenen Jahr und den harten Wettbewerb.
All das überzeugt jedoch nur halb. Die türkische Tourismusindustrie
hat im vergangenen Jahr tatsächlich einen tiefen Einbruch erlitten. Die
Gründe waren zunächst die Angst vor Anschlägen der PKK nach der
Festnahme von Abdullah Öcalan und dann das schwere Erdbeben vom 17. August.
Doch im gleichen Maße wie der Tourismus vor einem Jahr einbrach, nahm
er in diesem Jahr wieder zu. Bis Mitte Juli kamen ebenso viele Touristen wie
das ganze vergangene Jahr. Die staatliche Turkish Airlines meldet einen neuen
Rekord in der Auslastung ihrer Sitze.
Dass Istanbul Airlines trotz des wieder vollen Marktes nun doch eingebrochen
ist, dürfte daher eher mit Schwierigkeiten zusammenhängen, die türkische
Firmen zurzeit haben, wenn sie Flugzeuge leasen oder mieten wollen. Vor kurzem
sprach die Zeitung "Milliyet'' gar von einem weltweiten Boykott gegen die
Türkei. Alle 60 Firmen, die in der ganzen Welt in diesem Geschäft
tätig sind, würden sofort abwinken, wenn sie hörten, dass der
Kunde eine Fluggesellschaft aus der Türkei sei.
Der Grund für die Zurückhaltung ist eine ganze Herde schwarzer Schafe,
die sich im türkischen Fluggeschäft tummeln. Nach Auskunft der für
die zivile Luftfahrt zuständigen Behörde wurden bisher rund 35 Luftfahrtunternehmen
in der Türkei gegründet, von denen sieben noch bestehen. Weitere Firmen
sind im Prozess der Gründung. Für eine Lizenz braucht man drei Flugzeuge
und eine Million Dollar als Sicherheit. Unter den Firmengründern finden
sich oft die Gleichen, die kurze Zeit vorher erst mit einer Fluggesellschaft
Pleite gemacht haben.
Ein nicht genannter Verantwortlicher einer privaten Airline erzählte der
"Milliyet'', wie das System funktioniert: "Viele Gesellschaften zahlen
die Miete oder Leasinggebühr für ihre Flugzeuge nicht. Für jede
Stunde Wartung muss Geld gezahlt werden, auch das überweisen sie nicht.
Die Schulden häufen sich an. Andererseits werden dann Tickets Amsterdam-Istanbul
hin und zurück für nur 75 Dollar verkauft.'' Zwei, drei Monate sammelten
die Gesellschaften so Geld an, würden ein wenig für das Personal ausgeben
und dann sagen: "Ich bin pleite.'' Genau genommen würden solche Firmen
nur gegründet, um Pleite zu gehen.
Leidtragende solcher Praktiken sind die seriösen türkischen Firmen.
Bünyamin Altun, Manager bei "An Express Havayollari'', beschwert sich,
dass auch die Garantie einer Schweizer Partnerfirma als Sicherheit nicht akzeptiert
worden sei. Er habe zu hören bekommen, man würde lieber seine Flugzeuge
in der Wüste vergammeln lassen, als sie in die Türkei zu schicken.
Schließlich bekam er aber die notwendigen Flugzeuge gegen einen Aufpreis
von einer anderen Firma.
Der Generaldirektor der Behörde für zivile Luftfahrt, Topa Toker,
bestätigt, dass türkische Firmen Flugzeuge nur noch zu einem höheren
Preis und gegen zusätzliche Sicherheiten leasen können. Genau hier
dürfte die Falle liegen, die bei Istanbul Airlines zugeschlagen hat. Istanbul
Airlines musste nämlich in der Krise Flugzeuge verkaufen und wurde damit
besonders verwundbar, als der erhöhte Kostendruck durch die Treibstoffpreise
und die angesammelte schlechte Stimmung der Flugzeugleaser zusammenkamen. Schon
vor Wochen blieben Kunden in Deutschland einfach am Flughafen stehen, weil Istanbul
Airlines kein Flugzeug schicken konnte.
Gewinner und Verlierer dieser Situation ist die vor einer Teilprivatisierung
im Herbst stehende Turkish Airlines (THY). Einerseits hat sie nach Aussagen
von Topa Toker auch selbst Schwierigkeiten beim Leasen von Flugzeugen, was von
der Firma selbst allerdings bestritten wird, andererseits hat die mit der Swissair-Gruppe
verbündete Linie dank vieler Flugzeuge im eigenen Besitz einen Vorteil
gegenüber der privaten türkischen Konkurrenz.