taz Berlin 30.8.2000
Freispruch für Kurden aufgehoben
Die Beteiligung dreier Kurden an der Besetzung des israelischen Konsulats im Februar 1999 muss erneut verhandelt werden. Bundesgericht hebt Freispruch des Landgerichts auf, weil eine Beteiligung an Gewalttaten nicht ausgeschlossen werden könne Der Angriff von Kurden auf das israelische Generalkonsulat in Berlin wird die Justiz weiter beschäftigen: Der 5. Senat des Bundesgerichtshofes (BGH) in Leipzig hob gestern das Urteil des Landgerichtes Berlin vom November vergangenen Jahres auf, das drei Kurden vom Vorwurf des Landfriedensbruchs und der Bildung bewaffneter Gruppen freigesprochen hatte.
Der Fall muss nun von einer anderen Strafkammer des Landgerichtes neu verhandelt werden. Die Bundesrichter gaben damit der Revision der Staatsanwaltschaft statt.
Das Landgericht hatte die Kurmit der Begründung freigesprochen, dass ihnen sei keine unmittelbare Beteiligung an der Erstürmung des Generalkonsulats nachzuweisen sei.
"Die Feststellungen des Landgerichtes reichen nicht aus, um einen Freispruch zu tragen", argumentierte nun die Vorsitzende Richterin Monika Harms. Die Berliner Richter hätten nur einen begrenzten Zeitraum von sechs Minuten aus den Geschehnissen von damals herausgegriffen, ohne deren Vorgeschichte zu bedenken. So sei am Vortag bereits das griechische Generalkonsulat erstürmt worden. Stattdessen habe das Landgericht Berlin nur wenige Minuten auf einem Videofilm angeschaut, so die Richterin. Diese würden jedoch für den Nachweis einer friedlichen Absicht der Angeklagten nicht ausreichen. "Das Urteil ist lückenhaft und nicht ordentlich gemacht", kritisierte die Vorsitzende Richterin.
Am 17. Februar 1999 waren mehrere Gruppen von insgesamt 50 Kurden aus Protest gegen die Verhaftung des PKK-Führers Abdullah Öcalan gewaltsam in das Konsulatsgebäude in Berlin-Wilmersdorf eingedrungen. Sie hatten den Angaben zufolge Schlagwerkzeuge bei sich. Die Menge wurde bei der Erstürmung von Sicherheitskräften des Konsulats beschossen. Vier Kurden kamen dabei ums Leben. Mehrere Polizisten und Kurden - darunter die drei Angeklagten - wurden verletzt.
In seiner Entscheidung folgte der Bundesgerichtshof der Ansicht des Generalbundesanwaltschaft. Ein Vertreter des Generalbundesanwalts hatte in der Verhandlung moniert, dass die Berliner Richter das Geschehen zuvor und danach bei ihrer Entscheidungsfindung ausgeblendet hätten. Das Urteil sei rechtsfehler- und lückenhaft und "schlicht unschlüssig", sagte der Bundesanwalt. Es sei nicht dargelegt worden, warum die drei Angeklagten nicht an den Angriffen auf das Konsulat beteiligt gewesen sein sollen.
Die Verteidiger hatten dagegen beantragt, die Revision zu verwerfen, da die Kurden damals in einzelnen, nicht einheitlich handelnden Gruppen aufgetreten seien. Deshalb sei nicht auszuschließen, dass die Angeklagten als Einzelpersonen ohne aggressive Ausstrahlung gehandelt hätten. AP/TAZ