Frankfurter Rundschau, 30.8.2000
Kurden müssen vor Gericht
BGH hält Urteil gegen Konsulatsbesetzer für "unordentlich"
LEIPZIG, 29. August (ap). Der Angriff von Kurden auf das israelische Generalkonsulat in Berlin vom Februar 1999 wird die Justiz weiter beschäftigen: Der 5. Senat des Bundesgerichtshofes (BGH) in Leipzig hob am Dienstag das Urteil des Landgerichtes Berlin vom November vergangenen Jahres auf, das drei Kurden vom Vorwurf des Landfriedensbruchs und der Bildung bewaffneter Gruppen freigesprochen hatte. Der Fall muss nun von einer anderen Strafkammer des Landgerichtes neu verhandelt werden. Die Bundesrichter gaben damit der Revision der Staatsanwaltschaft statt.
"Die Feststellungen des Landgerichtes reichen nicht aus, um einen Freispruch zu tragen", sagte die Vorsitzende Richterin Monika Harms. Die Berliner Richter hätten nur einen begrenzten Zeitraum von sechs Minuten aus den Geschehnissen von damals herausgegriffen, ohne deren Vorgeschichte zu bedenken. So sei am Vortag bereits das griechische Generalkonsulat erstürmt worden.
Stattdessen habe das Landgericht Berlin nur wenige Minuten auf einem Videofilm angeschaut, die jedoch für den Nachweis einer friedlichen Absicht der Angeklagten nicht ausreichten. "Das Urteil ist lückenhaft und nicht ordentlich gemacht", kritisierte Harms mit ungewöhnlicher Strenge.
Die Vorinstanz hatte die drei Kurden mit der Begründung freigesprochen, ihnen habe keine aktive Beteiligung an der Erstürmung des Generalkonsulats nachgewiesen werden können.
Am 17. Februar 1999 waren mehrere Gruppen von insgesamt 50 Kurden aus Protest gegen die Verhaftung des PKK-Führers Abdullah Öcalan gewaltsam in das Konsulatsgebäude in Berlin eingedrungen. Sie hatten den Angaben zufolge Schlagwerkzeuge bei sich. Die Eindringlinge wurden bei der Erstürmung von Sicherheitskräften des Konsulats beschossen. Vier kurdische Angreifer kamen dabei ums Leben. Mehrere Polizisten und Kurden - darunter die drei Angeklagten - wurden verletzt.
Der Vertreter des Generalbundesanwalts hatte beanstandet, dass die Berliner Richter das Geschehen zuvor und danach bei ihrer Entscheidungsfindung ausgeblendet hätten. So sei nicht die gesamte damalige Situation im Überblick betrachtet worden. Das Urteil sei rechtsfehler- und lückenhaft und "schlicht unschlüssig", sagte der Bundesanwalt. Es sei nicht dargelegt worden, warum die drei Angeklagten nicht an den Angriffen auf das Konsulat beteiligt gewesen sein sollen.
Die Verteidiger hatten dagegen beantragt, die Revision zu verwerfen, da die rund 50 Kurden damals in einzelnen, nicht einheitlich handelnden Gruppen aufgetreten seien. Deshalb sei nicht auszuschließen, dass die Angeklagten als Einzelpersonen ohne aggressive Ausstrahlung gehandelt hätten.
PKK-Verdächtiger in Haft
KARLSRUHE (rtr). Ein mutmaßlicher Spitzenfunktionär der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) ist in Köln verhaftet worden. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Landfriedensbruch und schweren Hausfriedensbruch vor. Nach Angaben der Behörde vom Dienstag war der 43-Jährige maßgeblich an den Ausschreitungen nach der Entführung von PKK-Chef Abdullah Öcalan durch den türkischen Geheimdienst beteiligt. Öcalan, den ein türkisches Gericht inzwischen zum Tode verurteilt hat, war im Februar 1999 in Kenia verschleppt worden.
Danach wurden in mehreren deutschen Städten die Konsulate Kenias, Griechenlands und Israels sowie SPD-Büros besetzt, so auch in Berlin. Der nun verhaftete Kurde hat nach Angaben der Bundesanwaltschaft Weisungen zur Besetzung der griechischen Generalkonsulate in Düsseldorf und Köln sowie der griechischen und kenianischen Botschaft in Bonn gegeben.