junge Welt, 31.08.2000

Kommentar

Killerinstinkt

Bundesanwalt erhebt Anklage gegen PKK-Funktionär

Von der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) geht nach Ansicht von Generalbundesanwalt Nehm nach wie vor eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik aus, weshalb er gegen den angeblichen Deutschlandkoordinator der verbotenen Partei, Sait H., Anklage erhob. Damit hat die deutsche Justiz ein weiteres unmißverständliches Zeichen gesetzt, daß sie - an der Seite Ankaras - ihren Kampf gegen die Bewegung für kurdische Selbstbestimmung bis zu deren Vernichtung fortzusetzen gedenkt.

Der von Atatürk gegründete moderne türkische Staat weigerte sich von Beginn an, die Existenz von nationalen Minderheiten auf seinem Territorium anzuerkennen. Damit standen stets sämtliche Regungen kurdischen nationalen Selbstbewußtseins unter der Anschuldigung des Hochverrats - unabhängig von den Kampfformen, deren sich der kurdische Widerstand bediente. Diese strafrechtliche Sichtweise einer politischen Frage machten die deutschen Behörden zu ihrer eigenen. Ihnen genügte es nicht, die PKK als »terroristisch« zu klassifizieren, seit 1995 gilt sie schlicht als »kriminell«. Daran änderte sich auch nichts, als die PKK-Führung einseitig den bewaffneten Kampf für beendet erklärte und die territoriale Integrität der Türkei anerkannte - lange vor der mit Gangstermethoden betriebenen Auslieferung Öcalans an die Türkei.

Wirklich kriminelle Organisationen, wie die kosovo- albanische UCK, genießen hierzulande hingegen uneingeschränktes Gastrecht. Hier saß ihre Exilregierung, rekrutierte sie unbehelligt bewaffnete Kämpfer und sicherte durch die willkürliche Eintreibung von Steuern die finanzielle Basis der sezessionistischen Aggression gegen Jugoslawien. In ihren nationalen Zielen maßlos und in ihren Methoden barbarisch, nutzen die UCK-Akteure die Opferrolle, die ihnen zugeschrieben wird, zur Entfesselung eines gnadenlosen Ethnoterrors. Während die Kurden Autonomie schon gar nicht mehr zu fordern wagen, beruht kosovo-albanisches Unabhängigkeitsstreben auf der Ablehnung aller Vorschläge der Republik Serbien zur Selbstverwaltung des Kosovos. Friedensinitiativen, ob sie nun von der geächteten Regierung in Belgrad oder von einer unterlegenen Befreiungsbewegung wie der PKK entwickelt werden, schärfen heutzutage nur den Killerinstinkt. Sich an der fröhlichen Treibjagd zu beteiligen, ist deutschen Staatsanwälten Ehrensache. Berlins rot-grünen Ministern wäre - nach Öcalans Kapitualtion - die Rolle von Friedensvermittlern im türkischen Konflikt geradezu in den Schoß gefallen. Doch mittendrin in der Aggressionsgemeinschaft fühlen sie sich wohler.

Werner Pirker