junge Welt, 31.08.2000
Tödliche Gefahr mit deutschem Patent
Berlin: Initiativkreis gegen Landminen fordert Verbot von Antifahrzeugminen
Eine Initiative von 17 deutschen Hilfsorganisationen forderte die Bundesregierung am Mittwoch in Berlin auf, alles zu tun, damit in Zukunft neben Personenminen endlich auch Antifahrzeugminen international geächtet werden. Der deutsche Initiativkreis für das Verbot von Landminen warf der Bundesregierung außerdem vor, gegen das Ottawa- Abkommen zum Verbot von Antipersonenminen zu verstoßen. »Die Bundeswehr arbeitet immer noch mit Waffensystemen, die in den USA als Antipersonenminen klassifiziert sind«, sagte der Geschäftsführer von medico international, Thomas Gebauer.
Die Ottawa-Konvention, die seit 1997 von 138 Staaten unterzeichnet wurde, verbietet nur Antipersonenminen. »Antifahrzeugminen sind aber teilweise noch gefährlicher als Antipersonenminen. Sie können auch von Tieren oder Menschen ausgelöst werden. Sie treffen auch Zivilfahrzeuge«, sagte Gebauer. Die Bundesregierung halte diese Minen bisher für unbedenklich. Die Initiative habe Bundeskanzler Schröder vor einem Jahr in einem offenen Brief gebeten, sich für die Ächtung dieser Waffen einzusetzen. »Wir warten noch immer auf eine Antwort.«
Schätzungen zufolge sind zehn bis 20 Prozent aller weltweit verlegten Minen Antifahrzeugminen. »Wir befürchten, daß sich der Einsatz von Fahrzeugminen durch das Verbot von Personenminen noch erhöht«, so Gebauer. In Teilen Kroatiens seien 45 Prozent aller im Krieg verlegten Minen Antifahrzeugminen, im Süden Angolas über 50 Prozent.
Gebauer fordert deshalb von der Bundesregierung ein Exportmoratorium für Antifahrzeugminen. Außerdem solle die Bundesregierung die deutschen Gesetze so ändern, daß Landminen, die wie Antipersonenminen wirken, zerstört werden müssen. Italien und Kanada haben diesen Schritt bereits getan. Die italienische Regierung hat dabei auch die Vernichtung der deutscher Waffensysteme AT-2, MIFF und MUSPA angeordnet. Die deutsche Rüstungsindustrie ist in Europa führend bei der Entwicklung von Landminen. Über 60 Prozent der in Europa vergebenen Patente in diesem Bereich gehen an deutsche Firmen. Die Unternehmen Daimler Chrysler, Rheinmetall und Dynamit Nobel stehen weltweit an der Spitze der Forschung. »Das zeigt, daß die deutsche Industrie diesen Bereich nach wie vor für zukunftsfähig hält. Das bereitet uns große Sorge«, unterstrich Hein Winnubst von Misereor.
Bei der nächsten Konferenz der Ottowa-Vertragsstaaten, die im September in Genf stattfindet, soll sich die Bundesregierung für ein internationales Verbot von Antifahrzeugminen einsetzen. Gebauer glaubt nicht, daß eine Verschärfung der Ottawa-Konvention Staaten, die noch nicht unterzeichnet haben, abschrecken könnte. »Die USA haben bislang nicht unterzeichnet, weil sie Antipersonenminen zum Schutz von Antifahrzeugminen einsetzen. Nach Gesprächen mit amerikanischen Kollegen kann ich mir durchaus vorstellen, daß die Vereinigten Staaten in einer Art Überholmanöver alle Minen gleichzeitig verbieten«, sagte Gebauer.
Die Bundesregierung soll außerdem mehr Geld für die Räumung von Minen und die Unterstützung von Minenopfern ausgeben, verlangte Jürgen Hambrink, Geschäftsführer der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung. Dafür könnten Gelder aus dem Verteidigungshaushalt umgeleitet werden, die bisher für die Entwicklung und Beschaffung neuer Minensysteme vorgesehen sind. Im Bundeswehrplan 1999 seien für die kommenden Jahre für diesen Zweck 745 Millionen Mark vorgesehen.
Monika Krause