Berliner Morgenpost, 02.09.2000
Vural Öger - Der Reiseunternehmer in der Zuwanderungskommission
Von Frank E. Lippold
Hamburg - Er charakterisiert sich als «Stimme der Deutsch-Türken». Es ist freilich eine Stimme aus dem Kreis der 2,3 Millionen türkischen Immigranten, die besonderes Gehör findet. Und künftig dürfte Vural Öger noch mehr vernommen werden: Der 58-jährige Hamburger, ein Unternehmer türkischer Herkunft mit deutschem Pass, wurde von Bundesinnenminister Otto Schily in die Zuwanderungskommission berufen. Sie soll bis Mitte 2001 Empfehlungen für eine neue Ausländer- und Zuwanderungspolitik erarbeiten.
In diesem Gremium will Diplomingenieur Öger - 1961 zum Studium nach Berlin gekommen, heute mit Öger Tours achtgrößter deutscher Reiseunternehmer - «das fortsetzen, was wir seit 1998 mit der Deutsch-Türkischen Stiftung recht erfolgreich betreiben: die Integration der Ausländer in Deutschland». Dafür müssten Sachverhalte vorurteilsfrei und ohne Tabus geprüft werden, ist er mit Schily einer Meinung.
«Im Zentrum der neuen gesetzlichen Regelung der Zuwanderung in Deutschland muss der Vollzug nicht nur der sozialen, sondern der gesellschaftlichen Integration stehen», sagte Öger der Berliner Morgenpost. Dazu müsse die Kommission mit «konkreten Programmen» aufwarten. Zudem sollte sie den verstärkt mit Gewalttaten verbundenen Fremdenhass thematisieren.
Öger plädiert für eine klare Trennung zwischen Zuwanderung und Asyl. Zum einen brauche Deutschland - ohnehin «schon längst ein Einwanderungsland» - allein aus demographischen Gründen eine kontrollierte Zuwanderung. Zum anderen dürfe «das Asylrecht, ein heiliges Recht, nicht angetastet werden. Es muss jedoch klar definiert werden, in welchen Fällen es anzuwenden ist und in welchen nicht.» In der Praktizierung von Immigration und Asyl sieht der Unternehmer auch «einen Prüfstein für die Demokratie in Deutschland».
Der Vater dreier Kinder mit einer deutschen Frau strebt nach einem «glücklichen, zufriedenstellenden Miteinander in der Gesellschaft». Dafür engagiert er sich sozial und kulturell - vor allem als Vorsitzender der von ihm mitbegründeten Deutsch-Türkischen Stiftung. Dieses Gremium, dem u. a. Edzard Reuter, frühere Daimler-Benz-Vorstandschef, und Theo Sommer, ehemaliger Mitherausgeber der Wochenzeitschrift Die Zeit, angehören, bemüht sich vor allem um den Dialog zwischen beiden Staaten sowie zwischen Deutschen und Türken hierzulande.
Öger gehört keiner Partei an und bezeichnet sich als liberal. «Ich werde meine Meinung auch in der Zuwanderungskommission vertreten, nämlich die Unverzichtbarkeit der Immigranten in Deutschland - in einem Land, das sie mitgeformt haben». Aber natürlich müsse es in diesem Gremium um einen Konsens gehen, bekräftigt der Hamburger.
Mit einem Dissens war indes die Bildung der Kommission verbunden: Die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) wurde wegen ihrer Bereitschaft, den Vorsitz zu übernehmen, aus Unionskreisen zum Teil heftig kritisiert. Den Vizevorsitz übernahm - ohne politische Aufgeregtheiten - der frühere SPD-Parteichef Hans-Jochen Vogel.
Mit dem Reiseunternehmer hat Minister Schily seine 21-köpfige Kommission nunmehr komplett. Beide kennen sich übrigens seit 1968. Damals wurde Vural Öger als junger Student bei einer Anti-Schah-Demonstration in Berlin von einem Polizisten zusammengeknüppelt. Beim darauf folgenden Prozess stand ihm ein ebenso junger Anwalt zur Seite: Otto Schily.