Saarbrücker Zeitung, 4.9.2000

Kampf um Wasser und Öl

Die Interessen der Staaten im Nahen und Mittleren Osten

- Von JÜRGEN K. NEUMANN -

Der Nahe und Mittlere Osten, die Region von der Türkei bis zur arabischen Halbinsel, gilt als einer der größten Brennpunkte der internationalen Politik. Nicht erst seit der Gründung des Staates Israel 1948. Seit Jahrhunderten war die Region eine wichtige Etappe auf den berühmten Handels- und Karawanenwegen. In den Oasen der Wüsten gab es das lebensnotwendige Wasser. Die Auseinandersetzungen im Mittelalter zwischen Muslimen und Christen ums "Heilige Land" sind Beleg dafür, dass die Region nie heilig war, sondern immer kriegerisch. Die Kolonialmächte Großbritannien, Frankreich und Russland versuchten zu ihrer Zeit ihren Stempel auf die Region aufzudrücken. Die berühmte Geschichte um den britischen Offizier Thomas Edward Lawrence, der sich als "Lawrence von Arabien" Anfang des Jahrhunderts auf die islamische Seite schlug, ist legendär. Zu allen Zeiten galt der Satz "Wer den Zugang zum Wasser hat, bestimmt über Leben und Tod". Insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg, kam noch ein weiterer "Bodenschatz" - riesige Erdgas- und Erdölfunde - hinzu. Die geostrategische Lage zwischen dem Mittelmeer und dem Golf in Richtung Indischer Ozean rief die Supermächte USA und Sowjetunion auf den Plan. Zu Zeiten des Kalten Krieges bis zum Zusammenbruch des Sowjet-Kommunismus Mitte der 80er Jahre gehörte der Nahe und Mittlere Osten zur "Kernregion" der Bipolarität. Heute hat die USA die Rolle des Friedensmoderators übernommen. Ihre Interessen sind aber nicht uneigennützig. Israel und die Türkei (als Nato-Partner) gelten als "Horchposten" der USA. Ankara und Tel Aviv dienen auch als Bewacher der wichtigen Erdgas- und Erölpipelines, die zur Versorgung der westlichen Industriestaaten lebensnotwenig sind. Zudem gelten beide Länder als Luftwaffen-Stützpunkte für US-Aktivitäten am Persischen Golf und in Richtung Afrika und Südost-Asien. Die Eigen-Interessen der Türkei betreffen hauptsächlich die Wasserversorgung und das Kurdenproblem. Mit dem Bau von 22 Staudämmen (!) am Euphrat will Ankara seine Energie-Industrie ausbauen und gleichzeitig mit dem Abgeben und Zurückhalten von Wasser die anderen Länder am Euphrat, Syrien und Irak, "gefügig" machen. In den beiden Ländern wohnen ebenso wie im Iran, in Aserbaidschan und in Armenien ebenfalls Kurden. Mit einer restriktiven Wasserpolitik will Ankara Damaskus und Bagdad auf seine harte Linie gegen die Kurden bringen. In den Bereichen Militär und Atomtechnologie arbeiten Israel und die Türkei schon seit Jahren zusammen.

Syrien ist gerade wegen der unsicheren Wasserpolitik am Euphrat dringend darauf aus, die Golanhöhen (als Wasser-Reservoir) von Israel vollständig zurück zu bekommen. Deshalb drängen die Syrer auf eine generelle rechtliche Regelung der Wasserversorgung in der Region. Syrien verfügt über riesige Erdgas- und Erdölfelder in Richtung Irak und Iran. Die Syrer könnten sich im Polit-Geschäft deshalb auf einen Tausch "Erdöl gegen Wasser" einlassen. Bisher scheiterte aber jeder Verhandlungsversuch mit Israel an der Golanfrage. Der Libanon, dessen südlicher Teil von den Israelis bis vor wenigen Wochen noch besetzt war, galt bisher als heimliche Zentrale islamischer Extremisten, die zudem aus Damaskus und Teheran unterstützt wurden. Das kriegsmüde Beirut, einst das "Paris des Nahen Ostens", setzt künftig auf das Wiederbeleben des Tourismus. Kultur- und Wirtschaftsabkommen mit den Nachbarn sind aber noch in weiter Ferne.

Ägypten, das seit dem Vertrag von Camp David am 23. März 1979 mit Israel Frieden schloss, gilt noch immer als Strippenzieher in der Region. "Die islamische Welt wird niemals Jerusalem preisgeben", sagte der ägyptische Präsident Hosni Mubarak erst vor wenigen Tagen. Dieser Satz gilt als Parole für die künftigen Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern, deren Präsident Jassir Arafat in wenigen Tagen seinen eigenen Staat ausrufen will. Dass Jerusalem Teil der islamischen Welt ist, unterstreichen auch Marokko, Libyen und Jordanien, das seit dem 26. Oktober 1995 mit Israel Frieden geschlossen hat.

Dennoch gilt Jordanien als Sonderfall: Amman arbeitet bereits erfolgreich mit den Israelis bei der Wasserversorgung und im Fremdenverkehr zusammen. Israel selbst leidet unter einem chronischen Wassermangel. Ein tragbares Abkommen mit Syrien könnte dieses Problem erträglicher machen. Die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien setzen ebenfalls (mehr hinter den diplomatischen Kulissen) auf die islamische Karte. Ihr Haupt-Augenmerk ist aber vor allem auf die Sicherung ihrer eigenen Erdgas- und Erdölreichtümer gerichtet. Dem Iran als aufstrebender Regionalmacht, der selbst über immense Erdgas- und Erdölvorkommen verfügt, könnte künftig verstärkt die Vermittler-Rolle in der Region zufallen. Irans Präsident Mohammed Chatami braucht außenpolitische Erfolge um die orthodoxen Kräfte in seinem Land zurück zu drängen. Die Annäherung Teherans an die USA und an Europa könnte politische Früchte tragen. Irans Gegenspieler, der Irak unter Saddam Hussein, steht dagegen seit dem Golfkrieg im Jahr 1991 im politischen Abseits.