Frankfurter Rundschau, 04.09.2000
Immer wieder ließen die Besucher "Apo" hochleben
Das Kurdistan-Festival feierte den auf Friedenskurs umgeschwenkten PKK-Führer Öcalan
Von Edgar Auth (Köln)
Es war nicht schwer, das Kurdistan-Festival in Köln zu finden: Vom Hauptbahnhof konnte man den Hinweisen der Ordner mit den rot-gelb-grünen Fahnen folgen. Zur U-Bahn, dann zur Straßenbahn, Müngersdorfer Stadion - immer im Trott mit der Menge. Eigene Orientierungsarbeit blieb überflüssig. Es scheint, dass aus den Kurden ein geduldiges, folgsames Volk geworden ist.
Seit ihr Idol, der PKK-Vorsitzende Abdullah (Apo) Öcalan sie auf Friedfertigkeit eingeschworen hat, wurde kein Aufmüpfen mehr bekannt. Aus der Todeszelle auf der Gefängnisinsel Imrali lenkt er das kurdische "Friedensprojekt", und im Südosten der Türkei schweigen weitgehend die Waffen. "Internationales Festival für Frieden und Demokratie - einen Kuss der ganzen Welt", lautete das Motto des Festes. Mindestens 100 000 Kurden aus ganz Europa kamen, um die Mischung aus Folklore, Sis Kebap und politischen Bekenntnissen zu zelebrieren. Eine Art gigantisches Familientreffen, man umarmte sich, tröstete schreiende Kinder und gab Geheimes weiter: "Die Saarbrücker grillen draußen die besten Spieße".
Im Festivalaufruf hieß es, "die gemeinsame Gestaltung des neuen europäischen Hauses" stehe auf dem Programm, "im Zeichen von Frieden, Völkerfreundschaft und Demokratie". Die Türkei gehöre zu Europa, sie wolle in die EU und müsse deren demokratische und Menschenrechtsstandards einführen, forderten die Redner. Und: "Die Regierenden in der Türkei müssen endlich positiv auf die Vorgaben der kurdischen Seite antworten."
Die denken aber nicht daran: Es "sind bisher wenig Anzeichen realer Veränderungen zu sehen", stellte die britische Europaabgeordnete Sara Ludford in Köln fest. Nun hat sich kürzlich eine Gruppe unzufriedener Kurden um den Autoren Selahattin Celik, früher Mitglied im Zentralkomitee der PKK, zu Wort gemeldet, die das nicht länger hinnehmen will. Der derzeitige PKK-Friedenskurs exekutiere nur das türkische kemalistische Konzept, demzufolge Kurden schon dann als Separatisten verfolgt werden, wenn sie ihre Sprache, Kultur und Identität anmelden, so die Kritik. Öcalan sei als Werkzeug Ankaras auf diesem Kurs zu sehen. Celik hatte behauptet, viele Kurden fühlten wie er.
Doch davon war am Rhein nichts zu merken. In beinahe noch größerer Zahl als in den vergangenen Jahren waren Kurden dem Festival-Aufruf nach Köln gefolgt. Und immer wieder brandete der Sprechchor auf: "Biji Serok Apo" - "hoch lebe Apo Öcalan".
Nur wenige Pfiffe mischten sich auch in den artigen Applaus, den die Grünen-Bundestagsabgeordnete Angelika Beer für ihre Rede vom Publikum erhielt. Beer räumte ein, dass auch die grüne Regierungspartei den Export einer deutschen Munitionsfabrik in die Türkei nicht habe verhindern können. Sie versprach dann bei einer Pressekonferenz, künftig beim Bundessicherheitsrat "für mehr Transparenz" sorgen zu wollen, damit sich ein solcher Waffenhandel nicht wiederholt. Die türkische Armee überwacht schwer bewaffnet weiterhin den Ausnahmezustand in den Kurdenprovinzen und verfolgt die PKK-Guerilla auch bis tief hinein nach Irak.
"Wir reichen Euch die Hand zum gemeinsamen Kampf für Frieden und Demokratie", rief die Grünen-Politikerin anschließend den Festivalbesuchern zu. Dieses Versprechen immerhin hielt die Abgeordnete gleich wörtlich ein, als sie sich spontan in den Reigen der Tanzgruppen auf dem regennassen Stadionrasen einreihte