junge Welt, 05.09.2000
Clinton geht - Putin kommt
UNO-Millenniumsgipfel soll Arbeitstreffen werden. 47 000 Sicherheitskräfte einsatzbereit
Beim Millenniumsgipfel der Vereinten Nationen treffen sich ab Mittwoch in New York die Staats- und Regierungschefs von rund 160 Ländern. Die Vertreter verbündeter wie verfeindeter Staaten wollen drei Tage lang nicht nur über die altbekannten UN-Themen wie die Friedenssicherung, den Kampf gegen die Armut oder die Immunschwächekrankheit AIDS sprechen. Auch Probleme der Informationsgesellschaft stehen auf der Tagesordnung am Sitz der Organisation in New York. Nach dem Wunsch der Vize-UN-Generalsekretärin Louise Fréchette soll die Zusammenkunft »kein Galagipfel«, sondern ein Arbeitstreffen werden. Die Vertreter der Staaten sollen in vier Arbeitsgruppen über die Ziele der Weltgemeinschaft in den kommenden 15 Jahren debattieren, die UN- Generalsekretär Kofi Annan vorgestellt hat.
Schlagzeilen werden aber vermutlich eher die Nahost- Friedensverhandlungen und das Treffen von US-Präsident William Clinton mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin machen. Clinton bleiben nur noch wenige Monate im Amt, und in dieser Zeit will er unbedingt ein Friedensabkommen im Nahen Osten erreichen. Am Rande des Gipfels trifft er sich daher mit dem israelischen Regierungschef Ehud Barak und Palästinenserpräsident Yassir Arafat. Israel und die Palästinenser haben sich als Frist für ein Abkommen über den Status eines künftigen Palästinenserstaates den 13. September gesetzt. An diesem Tag will Arafat notfalls einseitig einen eigenen Staat ausrufen - allerdings hat er bereits Kompromißbereitschaft in dieser Frage angedeutet.
Für den US-Prädidenten ist der Gipfel zugleich die letzte Gelegenheit, auf internationalem Parkett zu glänzen. Sein russischer Kollege Wladimir Putin dagegen feiert seine UN- Premiere als Staatsoberhaupt. Daß Clinton ihn und Chinas Präsident Jiang Zemin in New York treffen wird, mag die Entscheidung des US-Präsidenten beeinflußt haben, den Beschluß über einen nationalen Raketenabwehrschild der USA zu vertagen. Moskau und Peking zählen zu den schärfsten Kritikern der Washingtoner Neuauflage vom »Krieg der Sterne«.
Clinton wird bei dem Gipfel weiteren Staats- und Regierungschefs aus Ländern begegnen, die die USA nach wie vor als Feinde betrachten: Kubas Präsident Fidel Castro hat sich angesagt, Irak schickt Vizeregierungschef Tariq Aziz. In anmaßendem Ton hieß es bereits aus Washington, daß bei solchen Anlässen »Diktatoren mit Staatschefs der freien Welt in Kontakt« kämen und letztere »demokratischen Einfluß« ausüben könnten - eine nur mühsam kaschierte Form der Einmischung in innere Angelegenheiten.
Der Gipfel könnte indes für die Festigung eingeleiteter Friedensprozesse dienlich sein: So treffen in New York der eritreische Präsident Issaias Afeworki und der äthiopische Ministerpräsident Meles Zenawi zusammen, rund zweieinhalb Monate, nachdem die beiden Länder einen Waffenstillstand schlossen. Südkoreas Staatschef Kim Dae Jung wollte sich in den USA ein weiteres Mal mit dem nordkoreanischen Führer Kim Jong Il treffen. Doch dieser hat seine Teilnahme abgesagt.
Zum Schutz der Staatsdelegationen hat die Stadt New York ein Großaufgebot von 6 000 Polizisten mobilisiert. Nach Angaben von Bürgermeister Rudolph Giuliani stehen aber noch weitere 41 000 Beamte zur Verstärkung zur Verfügung. Der Einsatz kostet die Stadt umgerechnet mehr als 16 Millionen Mark. Nach Angaben Giulianis wurden bislang 91 Demonstrationen für den Zeitraum des Gipfels angemeldet. Viele Menschenrechtler wollten vor allem gegen Irans Präsidenten Mohammed Khatami und Chinas Staatschef Jiang protestieren.
(AFP/jW)