Ritt auf dem alten Steckenpferd
Die UN brauchen weniger den deutschen Sitz im Sicherheitsrat als vielmehr eine Reform des Gremiums selbst
Von Knut Pries
"Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen" - das war schon unter Außenminister Kinkel die vornehme Umschreibung für einen ausgeprägten deutschen Ehrgeiz, einen Sitz unter den ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates zu erobern. Auch die Regierung Gerhard Schröder ist zur Übernahme dieser Verantwortung bereit. Im Unterschied zu Kinkel pflegen freilich der Kanzler und sein Außenminister Fischer hinzuzufügen, es gebe hier keinen Grund, ungebührlich zu drängeln.
Den, in der Tat, gibt es nicht. Es gibt vielmehr erheblich dringlichere Probleme, denen sich die UN zu Beginn des Jahrtausends zu stellen haben. Generalsekretär Annan hat sie in einer vom Kanzler zu Recht gelobten Aufgabenliste eindrucksvoll beschrieben. Zu diesen Aufgaben gehört auch die Reform der UN selbst, mit der Neuordnung des Sicherheitsrates als wichtigstem Element.
Zur Erinnerung: Als die Berliner Regierung sich ohne ausdrückliches UN-Mandat hinter die Kosovo-Intervention stellte, hieß es, das sei eine Ausnahme aus Not, weil der Sicherheitsrat in der bestehenden Form seiner Verantwortung nicht gerecht werden könne. Umso befremdlicher ist es, wenn dieselbe Regierung jetzt mit zunehmendem Gusto das Kinkelsche Steckenpferd reitet, es bei der Reform des Sicherheitsrates aber überaus ruhig angehen lässt. Das ist, auch in Zeiten des US-Wahlkampfes, zu wenig. Hier stimmen die Prioritäten nicht mehr: Deutschlands Sitz ist nur eine Option im Rahmen einer viel bedeutsameren Notwendigkeit. Das eine Anliegen braucht kein Drängeln, das andere umso mehr.