taz, 07.09.2000

Asyl dem Volk zum Entscheid

Der innenpolitische Sprecher der SPD, Wiefelspütz, denkt laut über Volksentscheide auch über ein Zuwanderungsgesetz und Änderungen des Asylrechts nach. Grüne sehen da ein kleines Problem

BERLIN taz Eigentlich müsste die CDU begeistert sein: Wenn es nach dem innenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, geht, muss sich die Union bald nicht mehr auf populistische Unterschriftenkampagnen beschränken. Zur Verhinderung umstrittener Gesetze könnte sie dann einen Volksentscheid beantragen.

Wiefelspütz sprach sich gestern dafür aus, Plebiszite "auch zu emotionsgeladenen Themen" zu ermöglichen. "Natürlich kann ich mir auch einen Volksentscheid über ein Zuwanderungsgesetz vorstellen", sagte Wiefelspütz der taz, selbst wenn darin eine Verfassungsänderung zum Asylrecht enthalten wäre.

SPD-Generalsekretär Franz Müntefering hatte gestern einen Vorstoß seiner Partei für die Einführung von Volksentscheiden noch in dieser Legislaturperiode angekündigt, ohne dabei ins Detail zu gehen.

Auch die Grünen setzen sich jetzt dafür ein, die im Koalitionsvertrag vereinbarte Stärkung der Bürgerbeteiligung durchzusetzen. Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Cem Özdemir, lehnt jedoch Volksentscheide über Änderungen des Asylrechts ab. Es werde klar geregelt sein, sagte Özdemir im taz-Interview, "dass Grund- und Menschenrechte nicht abgestimmt werden können".

SPD-Kollege Wiefelspütz betonte dagegen, Themen dürften nicht deshalb ausgeschlossen werden, weil sie heikle Fragen berührten. "Das schließt nicht aus, dass das Volk populistisch entscheidet."

Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck (Grüne), setzte gestern einen anderen Akzent. Mit Blick auf die rechte Gewalt warf sie der CDU indirekt vor, mit ihrer Unterschriftenaktion gegen den Doppelpass eine "Büchse der Pandora" geöffnet zu haben.

Darauf reagierte die CDU gestern nicht - auf die rot-grünen Ankündigungen zum Volksentscheid folgte dagegen einhellige Ablehnung der Union.

LUKAS WALLRAFF