Scheidender Botschafter lobt Berlin
"Partner Nummer eins der Türkei"
Von Horst Willi Schors
Zur umstrittenen Lieferung einer Munitionsfabrik in die Türkei befragt, wird der türkische Diplomat Tugay Ulucevik, Botschafter seines Landes in Berlin, ein wenig bestimmter als üblich. Man möge doch erwägen, bittet er vor dem Hintergrund der Diskussion in Deutschland, dass die Türkei mit westlicher Hilfe aufgerüstet worden sei und vierzig Jahre lang im Kalten Krieg ein "Wächteramt" auch für Deutschland ausgeübt habe. Das sei zu bedenken, wenn Kritik daran laut werde, dass das Nato-Mitglied seine Nato-Waffen nun modernisieren wolle.
Die - in Deutschland - umstrittene Lieferung von Leopard-Panzern hält der Diplomat nicht für ein politisches, sondern für ein wirtschaftliches Thema. Niemand werde Druck auf Deutschland ausüben. Ganz bewusst hätten weder er noch irgendein anderer führender türkischer Politiker dieses Thema mit deutschen Stellen erörtert. Die Kritik in Deutschland sei eine innenpolitische Angelegenheit. Nach der Überzeugung des Botschafters wird das Geschäft die deutsch-türkischen Beziehungen nicht belasten - ganz gleich, ob es zustande kommt oder nicht.
Und diese Beziehungen seien auf einem Rekordhoch, sagt der Diplomat in einer Bilanz seiner dreijährigen Amtszeit in Deutschland. Er wechselt als Vertreter der Türkei an den Straßburger Menschenrechts-Gerichtshof. Nach einem Tief im Jahre 1998 - damals reagierten die Türken ausgesprochen heftig auf die Absage zur EU-Mitgliedschaft, seien die Kontakte nun so herzlich wie nie. Allein in den vergangenen 18 Monaten habe es 80 "hochrangige" Besuche aus der Türkei in Deutschland gegeben, 33 Mal seien im gleichen Zeitraum deutsche Spitzen-Politiker in der Türkei gewesen. Auch der Tourismus boome. Seit 1984 hätten 87 Millionen Deutsche das Land besucht. Die Zahlen wüchsen jedes Jahr. Für 2000 sei ein neuer Rekord zu erwarten. Deutschland sei "Partner Nummer eins der Türkei" in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht.
In Ankara registriere man, dass sich Berlin nun intensiv für die Mitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union einsetze. Ausgesprochen dankbar sei man auch für die deutsche Hilfe nach der Erdbebenkatastrophe gewesen. 101 Länder hätten sich an den Aktionen beteiligt, über die Hälfte aller Hilfsgüter seien allein aus Deutschland gekommen. Großen Respekt habe man in der Türkei vor dem Einsatz vieler Bürger in Deutschland gegen den Rechtsradikalismus, der sich auch gegen Türken richtet. Man wisse von den Mahnwachen deutscher Bürger an den Orten rassistischer Brandanschläge. Bundespräsident Johannes Rau, der sich als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen um das Schicksal der Opfer von Solingen gekümmert habe, trage seitdem in der Türkei den Ehrennamen "Vater."