Kurdische Familie kann an eine Zukunft in Offenburg denken / Abschiebung war Missglückt
Dogans dürfen bleiben
Von unserem Redakteur Joachim Röderer
OFFENBURG. Fünf blaue türkische Pässe und fünf Stempel der Stadt Offenburg beenden zehn Jahre Angst und Unsicherheit. Die kurdische Familie Dogan hat ihre Aufenthaltsbefugnis erhalten - und muss nicht länger eine Abschiebung befürchten. Dagegen haben sich die Dogans mit aller Kraft gestemmt - mit großer Unterstützung vieler Offenburger, die das Schicksal der Familie zu ihrem Anliegen gemacht hatten.
Es war ein menschliches Drama, dass sich in Offenburg um die Dogans in den vergangenen Jahren abspielte. Orhan und Gülselver Dogan und die vier Kinder Ayten (20), Fatma (17), Mehmet (13) und Helin (10) hatten sich vorbildlich in das Leben der Stadt integriert. Die Eltern suchten und fanden trotz aller Restriktionen Arbeit und mussten keine Sozialhilfe in Anspruch nehmen. Die Kinder engagierten sich in ihren Schulen, in Vereinen und dem Jugendgemeinderat. Die Dogans waren zu einer Offenburger Familie kurdischer Herkunft geworden. Und doch sollten sie in ihrer neuen Heimat keine Zukunft haben. Denn von den Behörden und Gerichten hörten die Dogans nichts anderes als ein für sie so bedrohliches "Nein".
Die drohende Abschiebung schwebte wie ein Damoklesschwert über ihnen. Dabei fehlte der Familie nur eine einzige Woche: Sieben Tage nach dem 1. Juli 1990, dem Stichtag, waren sie in Deutschland eingereist - sieben Tage zu spät, um als Härtefall anerkannt zu werden. Gesetz ist Gesetz, sagten die Behörden und blieben hart. Da konnten auch der Oberbürgermeister, die Gemeinderäte, die Landtagsabgeordneten, Lehrer oder Mitschüler nichts ändern. Petitionen und Resolutionen verhallten ohne Wirkung. Mehr als 500 Offenburger gingen vor zwei Jahren für ihre sechs kurdischen Mitbürger auf die Straße, eine evangelische und eine katholische Kirchengemeinde boten den Dogans Zuflucht, als deren Schicksal nur noch am seidenen Faden hing.
Und wenn damals jener gescheiterte Abschiebeversuch gelungen wäre? Dann hätten die Dogans die Änderung der Härtefallregelung nicht mehr in Deutschland miterlebt. Die Innenministerkonferenz hat den Stichtag vor knapp einem Jahr auf den 1. Juli 1993 datiert - damit waren jene vermaledeiten sieben Tage für die Dogans nicht länger ein Hinderungsgrund.
Und doch ist auch die neue Regelung so eng gefasst, dass es nach dem Buchstaben des Gesetzes für die Dogans noch einmal hätte eng werden können. Doch nun zeigten die zuständigen Ämter ein Einsehen. Am Ende spielte jetzt auch das türkische Generalkonsulat in Stuttgart mit und stellte die Dokumente aus. Bei der Übergabe gestern erlebte auch Offenburgs OB Wolfgang Bruder ein Premiere: "Türkische Pässe habe ich noch nie ausgehändigt", sagte er zu der glücklichen Familie. "Eine menschliche Entscheidung", meinte Inge Pfirrmann von der Ausländerinitiative, welche die Familie durch die Jahre begleitete. Dass bis zum guten Ende alles so quälend lange gedauert hat, hält Pfarrer Helmut Kieninger vom ökumenischen Arbeitskreis Asyl nach wie vor für einen Skandal: "Wer erst nach fünf Jahren Gnade gewährt, ist trotzdem gnadenlos."
Die Dogans blicken nach vorne. Die lange Zeit der Ungewissheit hat sie geprägt: "Wir sind ein Beispiel für andere Familien", sagt Tochter Ayten, "wir wollen mit unserer Geschichte allen anderen Mut machen.