Die Welt, 9.9.2000
Regierung will Panzerlieferungen in die Türkei verbieten
SPD-Fraktionschef Struck: Die Lizenz zum Bau wird es nicht geben - Grünes Licht für neue Castor-Transporte - WELT-Gespräch
Von Michael J. Inacker und Johann Michael Möller
Berlin - Das deutsch-türkische Panzergeschäft über den Export des deutschen Leopard II an Ankara steht offenbar kurz vor dem Scheitern. Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Peter Struck, sagte in einem Interview mit der WELT, dass die Bundesregierung "die Lizenzen zum Bau dieser Panzer nicht geben" werde. Bundeskanzler Gerhard Schröder, Verteidigungsminister Scharping und die SPD-Fraktionsspitze seien sich "völlig einig", dass die Bundesregierung "dieses Projekt nicht genehmigen wird". Struck zufolge gebe es keinen "objektiven Grund, warum man eine neue Menschenrechtsentwicklung in der Türkei unterstellen könnte".
Bei der Haushalts- und Finanzpolitik warnte Struck die linken Gruppierungen in seiner Partei davor, neue Ausgabenprogramme zu fordern. Es gebe "überhaupt keinen Grund, euphorisch ans Geldausgeben zu denken, und schon gar nicht im Konsumbereich". Auch Steuermehreinnahmen durch die gute Konjunktur würden nur "zum Abbau der Verschuldung genutzt". Es bleibe beim Konsolidierungskurs - "hier darf nicht gewackelt werden". Der SPD-Fraktionschef wies ebenso Forderungen nach einer Aussetzung der Ökosteuer zurück. Auch dort "darf nicht gewackelt werden". Das Aufkommen aus der Ökosteuer diene dazu, "den Rentenbeitrag stabil zu halten". Weiter kündigte Struck die Wiederaufnahme von Castor-Transporten an. Diese seien Bestandteil des erzielten Atomkonsenses. Zwar stehe das Ausstiegsszenario, aber "die Brennelemente müssen zwischengelagert werden". Er erwarte von allen Beteiligten der rot-grünen Koalition, dass "auch bei Protesten eine eindeutige Linie verfolgt wird".