Frankfurter Rundschau, 11.09.2000
Munition statt Panzer für Ankara Rot-Grün: Türkei will Leo II nicht / Fabrikexport rückt näher
Von Richard Meng
Eine Entscheidung der Türkei, den deutschen Panzer Leopard II anschaffen zu wollen, wird nach Einschätzung der Koalition in Berlin immer unwahrscheinlicher.
BERLIN, 10. September. Die SPD gehe davon aus, "dass die Türkei den Leopard II gar nicht mehr will", hieß es am Sonntag in der sozialdemokratischen Fraktionsspitze. Die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Angelika Beer, sagte auf Anfrage, alles deute darauf hin, dass die Türken schon aus Kostengründen lieber auf die Modernisierung ihrer Panzer aus US-Produktion setzen werden. "Wahrscheinlich" habe Ankara am Leopard II "überhaupt kein Interesse mehr". In der SPD wird vermutet, dass die Türkei ihr Votum nur noch aus politisch-taktischen Gründen offen hält, während die Grundsatzentscheidung der Militärs für die US-Panzer (die zu erheblichen Teilen aber ebenfalls mit deutscher Technologie ausgestattet sind) längst gefallen sei.
In der SPD-Fraktionsspitze wurde bekräftigt, dass derzeit eine Exportzusage für den Leopard II in die Türkei auch nicht in Frage komme, weil sich die Menschenrechtslage dort nicht wesentlich verbessert habe. Fraktionschef Peter Struck erklärte, darin seien sich die führenden Sozialdemokraten einig. Die SPD vermeidet so neuen Streit mit den Grünen, nachdem 1999 die Lieferung eines Testpanzers eine schwere Krise ausgelöst hatte.
Die Grünen signalisieren ihrerseits, dass die Lieferung einer Munitionsfabrik an die Türkei nun auch aus ihrer Sicht nicht mehr zu stoppen ist, nachdem die Verträge dafür unterschrieben sind. In ihrer Fraktionsklausur hatten sie vergangene Woche noch einmal beschlossen, dass sie das Projekt, für das es erste Zusagen in Zeiten der früheren CDU/FDP-Regierung gegeben hatte, für "politisch falsch" halten. Beer sagte am Sonntag, sie sehe zwischen dem Panzergeschäft und dem Bau einer Munitionsfabrik politisch-moralisch "keinen Unterschied". Sie bestritt, dass die Grünen die Fabrik jetzt akzeptierten, weil das Panzergeschäft verhindert werde. Diese Kopplung sei "absoluter Quatsch", weil "fast hundertprozentig sicher" sei, dass die Türkei den Panzer nicht wolle.