taz 11.9.2000

Entwarnung an der Panzerfront

Das Leo-Geschäft mit der Türkei scheint gescheitert. Das hat weniger mit Absprachen der rot-grünen Koalition als mit knappen türkischen Mitteln zu tun

von SEVERIN WEILAND

"Lizenzen zum Bau dieser Panzer wird es nicht geben". Peter Struck, Fraktionschef der SPD im Bundestag, legte noch mal nach: "Völlig einig" seien Kanzler, Verteidigungsminister und er, dass die Regierung einen Lizenzbau von 1.000 Panzer des Typs Leopard II in der Türkei "nicht genehmigen wird". Der Grund: Zwar bemühe sich die türkische Regierung um eine Verbesserung der Menschenrechte, doch seien Erfolge noch nicht abzusehen.

Das Interview in der Welt machte Schlagzeilen, obzwar Struck im Grunde nichts Neues verkündet hatte. Mit dem Hinweis auf die Menschenrechtslage war die Regierung schon im Frühjahr vor die Öffentlichkeit gegangen.

Doch wie stets im politischen Geschäft kommt es auf den Zeitpunkt an. Seit Monaten schält sich mehr und mehr heraus, dass das Rüstungsgeschäft mit der Türkei gar nicht zustande kommt. Und das nicht aus den Gründen, die die deutsche Seite vorgibt. Die Türkei selbst ist es, die offenbar unter dem Druck einer knappen Haushaltslage vom Geschäft Abstand nehmen will - und damit die rot-grüne Koalition vor einer schweren Krise bewahrt.

Bei den Grünen löste Strucks Interview ungeteilte Genugtuung aus. "Dies ist eine Bestätigung unserer Position und der Koalitionsfraktionen insgesamt. Und das ist gut so", erklärt der Fraktionspressesprecher Dietmar Huber. Ähnlich sieht es Angelika Beer, rüstungspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion. Der SPD sei klar, dass der Export des Leopard II mit den Grünen "nicht läuft". Andernfalls, erklärte sie, "würde dies den Bruch der Koalition provozieren".

Das Thema Rüstungsexporte wird derart sensibel in der Koalition gehandelt, dass die Spekulationen ins Kraut schießen. So meldet etwa der Spiegel, Gerhard Schröder, Rudolf Scharping, Joschka Fischer, Peter Struck und Grünen-Fraktionschef Rezzo Schlauch hätten sich darauf geeinigt, im Gegenzug für den Verzicht des Panzergeschäfts sollten die Grünen ihrerseits die Kritik am Export einer Munitionsfabrik in die Türkei einstellen. Angelika Beer kann sich ein derartiges Junktim nicht vorstellen. "Das ist absurd, weil dadurch unterstellt würde, die eine Munition ist besser als die andere." Beer glaubt vielmehr, dass es aus "bestimmten Kreisen grundsätzliche strategische Bemühungen gibt, die Grünen in der Frage der Rüstungsexporte vorzuführen".

Ohnehin, so die Grüne, wäre eine solche Vereinbarung der mächtigen Männer durch die Ereignisse der letzten Tage relativiert. Auf ihrer Klausurtagung Ende der Woche hatte die Fraktion einstimmig die Exportgenehmigung für die Waffenfabrik durch den Bundessicherheitsrat kritisiert. An dem genehmigten Geschäft wird der Protest allerdings nichts mehr ändern. Die Fraktion beschloss aber weiter, sich dafür einzusetzen, dass das Verfahren für die Genehmigung von Rüstungsexporten "transparenter und demokratischer" wird. Vorschläge sollen mit der SPD beraten werden.

Im vorigen Herbst war die Koalition wegen der Lieferung eines Leo-II-Testpanzers an die Türkei in Turbulenzen geraten. Im Bundessicherheitsrat hatten sowohl Außenminister Joschka Fischer als auch Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) gegen die Lieferung gestimmt. Die Basis beider Parteien war, wie sich zeigte, mehrheitlich gegen das Geschäft. Sowohl die SPD auf ihrem Bundesparteitag im Dezember als auch die Grünen auf ihrer Bundesdelegiertenkonferenz im März votierten dagegen.