Bremer Nachrichten, 13.9.2000 Türkei spricht von Heuchelei Empörung über Aus für Panzergeschäft/Ankara: Kurdenkonflikt hat sich entspannt Von unserer Korrospondentin Susanne Güsten Istanbul. Mit heftiger Kritik hat die türkische Regierungskoalition auf das Nein der Bundesregierung zum Panzergeschäft mit Ankara reagiert. Der Außenpolitiker Bülent Akarcali von der konservativen Regierungspartei ANAP warf der Bundesregierung am Montag Heuchelei vor. Akarcali sagte, die Berliner Koalition nutze das Panzer-Thema für innenpolitische Zwecke aus. So verschweige die Bundesregierung, dass es überhaupt nicht um einen Export deutscher Panzer an den türkischen Staat gehe, sondern nur um eine Lizenzvergabe an private türkische Unternehmen. Durch dieses Vorgehen sei es für die Bundesregierung einfacher, "die öffentliche Meinung zu manipulieren". Die Koalition belüge beim Thema Panzer die deutsche Öffentlichkeit. Außerdem sei das deutsche Verhalten unfair, weil die neuen Panzer der türkischen Armee im Rahmen der NATO eingesetzt werden sollten. Akarcali ist stellvertretender Vorsitzender der ANAP, die vom früheren Ministerpräsidenten Mesut Yilmaz geführt wird. Die ANAP steht in Deutschland mit der CDU/CSU in Kontakt. Die Vorwürfe des türkischen Politikers gegen Berlin waren eine Reaktion auf Äußerungen von SPD-Fraktionschef Peter Struck. Dieser hatte am Wochenende klargestellt, dass die Türkei keine deutsche Panzertechnik erhalten werde. Ankara will in den kommenden Jahren insgesamt 1000 Kampfpanzer anschaffen, die in einem Joint-Venture mit einem ausländischen Hersteller in der Türkei gebaut werden sollen. Neben dem deutschen Leopard-Panzer der Firma Krauss-Maffei-Wegmann sind Panzer aus den USA, Frankreich und der Ukraine an der Ausschreibung für das 14-Milliarden-Mark-Geschäft beteiligt. Die Haltung der Bundesregierung zu Rüstungsgeschäften mit der Türkei sei heuchlerisch, sagte Akarcali. Denn die Türkei solle zwar keine deutsche Panzer-Technologie erhalten, wohl aber eine deutsche Munitionsfabrik. Wenn man in Deutschland tatsächlich der Meinung sei, die Waffen würden in der Türkei gegen die Kurden eingesetzt, dann sei die Munition viel geeigneter dafür als schwere Kampfpanzer. Der konservative türkische Politiker verwies gleichzeitig darauf, dass es entgegen den Aussagen deutscher Regierungspolitiker in der Türkei sehr wohl Veränderungen gebe. So habe die Türkei auf die sofortige Hinrichtung von PKK-Chef Abdullah Öcalan verzichtet. Zudem trete auch die türkische Armee inzwischen für eine friedliche Lösung des Kurdenkonfliktes ein. Selbst die rechtsnationale Regierungspartei MHP knüpfe Kontakte mit kurdischstämmigen Politikern im Osten der Türkei. Die MHP trat bisher für eine harte Linie in der Kurdenpolitik ein; in der vergangenen Woche sorgte MHP-Chef und Vize-Premier Devlet Bahceli jedoch für Aufsehen, als er bei einem Besuch im Kurdengebiet einem führenden Politiker der Kurdenpartei HADEP öffentlich Beifall spendete. Anders als Akarcali hielt sich der türkische Generalstab, der beim Panzergeschäft das letzte Wort hat, am Montag mit Stellungnahmen zurück. In Armee-Kreisen hieß es lediglich, das Thema sei "sehr sensibel". Mit einer Entscheidung der türkischen Führung im Panzergeschäft wird nicht vor Ende des Jahres gerechnet. Am Montag war noch unklar, ob Krauss-Maffei-Wegmann trotz der negativen Aussage Strucks weiter an der Ausschreibung teilnehmen will.
|