junge Welt,13.09.2000 Kommentar Schilys Dreamteam Zuwanderungskommission will den großen Konsens Wie die Mitgliederliste des Vorstandes eines ganz, ganz großen »Bündnisses gegen rechts« liest sich das Namensverzeichnis der von Bundesinnenminister Otto Schily berufenen »Zuwanderungskommission«, die am Dienstag ihre Arbeit aufnahm. Immerhin geht es ja auch um nicht weniger als den ganz großen »gesellschaftlichen Konsens« in der künftigen Ausländerpolitik. Und mit der Berufung der früheren Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth zur Vorsitzenden der Kommission ist es Schily auch gelungen, den nicht- rechtsextremen Flügel der CDU einzubinden. Obwohl die Kommission laut Schily »tabulos und ergebnisoffen« diskutieren soll, wird der eigentliche Auftrag in den Medien ziemlich offen formuliert: Weg mit dem individuellen Rechtsanspruch auf Asyl, bei gleichzeitiger gezielter Anwerbung von ausländischen Fachkräften und Billigarbeitern. Als Ergebnis der hochkarätigen Runde werden Entwürfe für Gesetzesvorlagen erwartet. Bei soviel parteiübergreifendem Willen zum Konsens sind schrille Töne kaum zu erwarten. Mit dem türkischen Reiseunternehmer Vural Öger leistet man sich sogar einen waschechten türkischstämmigen Mitbürger, der seine weitgehende Assimilierung aber durch sein vorauseilendes Verständnis für eine restriktive Ausländerpolitik bereits hinreichend unter Beweis gestellt hat. Die Grünen haben wohlweislich nicht Claudia Roth als letzte Ikone einer humanen Ausländerpolitik entsandt, sondern mit Ralf Fücks einen jener Fischer-Gefolgsleute, für die die alte Grünen-Forderung nach offenen Grenzen nur noch ein peinliches Relikt aus politpubertären Tagen ist. Die Sozialdemokraten schickten ihren berüchtigten Oberabschieber Herbert Schnoor, Innenminister des Landes Nordrhein- Westfalen a.D., ins Rennen. Dazu gesellen sich noch ein paar Pfaffen und Juristen und - vielleicht ein kleiner Lichtblick - der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel. Vertreter von Pro Asyl oder anderen Organisationen, die in ihrer Kritik an der menschenfeindlichen deutschen Asylpolitik und der inhumanen Abschiebepraxis nicht nachlassen, sucht man in der Kommission vergeblich. Statt dessen ist eine starke Unternehmermannschaft mit Vormann Hans-Olaf Henkel angetreten, um nachdrücklich den Abbau bürokratischer Hürden bei der kostengünstigen Verwertung ausländischer Arbeitskraft anzumahnen. Dem großen »Ausländer raus«- Konsens mit eingebauter Katzenklappe für importierte moderne Arbeitssklaven steht also nichts mehr im Wege. Und hinterher ist man bestimmt gemeinsam wieder »ganz doll gegen rechts«. Rainer Balcerowiak
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