Die Harke (Nienburg), 19.09.2000 "Ich möchte hier leben und hier arbeiten" 20-jährigem Kurden aus Liebenau droht die Abschiebung / Petition an den Landtagspräsidenten geschrieben Von Heidi Meyer 18.09.00 - Liebenau. Tayar Akyol versteht die Welt nicht mehr. Er soll Deutschland verlassen. Sein Asylantrag ist abgelehnt. Acht Jahre lebt der 20-jährige Kurde jetzt in Deutschland. Er besuchte die Schule für Lernbehinderte in Pennigsehl, weil er damals kein Wort Deutsch sprach, erzählt Helmut Siebels vom "Unterstützerkreis Liebenau". Tayar Akyol besuchte das Berufsvorbereitungsjahr und absolvierte anschließend das Berufsgrundbildungsjahr der Berufsbildenden Schulen Nienburg. Eine Arbeitserlaubnis bekommt er nicht - Asyl auch nicht. Der "Liebenauer Unterstützerkreis" hat jetzt eine Petition für das Bleiberecht des 20-jährigen Liebenauers an den Präsidenten des Niedersächsischen Landtages gerichtet. Unter anderem heiß es dort: "...Tayar verfügt über befriedigende Deutschkenntnisse und Fähigkeiten, um eine Arbeit aufzunehmen. Entsprechende Arbeitsangebote liegen ihm vor..." Tayar versteht nicht, warum er Deutschland verlassen soll. Er fühlt sich hier beheimatet. "In der Türkei habe ich kein Ziel. Ich weiß nicht, wo ich hin soll", sagt er leise und blickt auf den Boden. Doch viel schlimmer sei, dass er dort vermutlich sofort zum zweijährigen Armeedienst eingezogen werde; "und danach komme ich in ein türkisches Gefängnis", ist er sich sicher. Sein Vater werde in der Türkei verfolgt und halte sich in den Bergen versteckt. Die Asylanträge seiner Brüder sind mittlerweile anerkannt. Die Kirchengemeinde Arnum hatte ihnen "Kirchenasyl" geboten. Nachdem Tayars Asylantrag negativ beschieden worden war, und auch sein Rechtsanwalt ihm zu einer freiwilligen Ausreise riet, hat er mehrfach mit dem Gedanken gespielt, einfach wegzulaufen. "Aber das ist auch keine Lösung. Ich möchte hier leben und hier arbeiten und mich nicht in Deutschland verstecken müssen", sagt er. Auch der Liebenauer Kirchenvorstand hat sich mit dem Fall des 20-Jährigen befasst. Sie hoffen nun auf eine erneute Prüfung, weil das Anhörungsprotokoll sehr lange zurück liege. Die Mitglieder des Kirchenvorstandes unterstützen die Petition und hoffen auf ein Bleiberecht für Tayar. Der Flüchtlingsbeauftragte Peter Jilani schätzt die Situation für Tayar Akyol bei Rückkehr in die Türkei wegen politischer Aktivitäten, aber auch wegen Asylersuchens in Deutschland als sehr bedenklich ein. Die gesamte Familie Akyol sei wegen "Sippenhaftverfolgungsgefahr" in Deutschland als Asylbewerber anerkannt. Tayar nicht. Das Anhörungsprotokoll zu Tayars Asylantrag sei sieben Jahre alt. "Zu der Zeit war er 13 Jahre alt, heute ist er 20", macht Jilani deutlich. Als Minderjähriger sei die Situation anders zu beurteilen gewesen. Darüber hinaus sei die aktuelle politische Lage in der Türkei nicht berücksichtigt worden. Der Arbeitskreis der hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendarbeit im Landkreis Nienburg hat sich mehrheitlich für eine Unterstützung der Petition entschieden. In dem Schreiben an den Präsidenten des Landtages heißt es: "Die Mehrheit der Mitglieder des Arbeitskreises ist in Sorge, dass die Abschiebung Tayar Akyol in große Gefahr bringt. Wir bitte deshalb (...) um ein Bleiberecht für Tayar." "Wenn ich etwas Böses getan hätte, könnte ich verstehen, dass man mich in Deutschland nicht haben will. Ich habe aber nie gegen Gesetze verstoßen", schüttelt er den Kopf. Etwas fröhlicher und gelöster wird er erst, als er von "seiner" Fußballmannschaft erzählt. Tayar wird als Stürmer bei den Ersten Herren in Liebenau spielen, sobald die Sperre wegen des Wechsels vorüber ist. Vorher hatte er für Oyle gekickt. Mit dem Umzug nach Liebenau wechselte er. In etwa zwei Wochen könnte er dann im Liebenauer Trikot auf dem Platz stehen.
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