Frankfurter Rundschau, 19.09.2000 Tötung eines Obdachlosen ist für Ermittler keine rechte Gewalt Polizei sieht in der Tat von zwei Skinheads eine durch Alkohol eskalierte Streiterei / Heute Trauermarsch in Schleswig Den Fall des von Skinheads zu Tode getretenen Obdachlosen in Schleswig stufen die Ermittler nicht als eine rechtsextremistische Tat ein. Die beiden Männer hätten ihr Opfer nicht attackiert, weil er einer Randgruppe angehört habe. FLENSBURG / SCHLESWIG, 18. September (dpa/ap/pl). Zwei Skinheads, die in Schleswig einen Obdachlosen zu Tode getreten haben, hatten nach Einschätzung der Ermittlungsbehörden keine rechtsextremistischen Motive für die Tat. Die beiden geständigen 23-Jährigen hätten ihr Opfer nicht gezielt als Angehörigen einer sozialen Randgruppe angegriffen, meinten am Montag übereinstimmend Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei. Die beiden jungen Männer hatten am Wochenende gestanden, den Obdachlosen am Dienstagabend vergangener Woche zu Boden geschlagen und dann gegen Oberkörper und Kopf getreten zu haben. Nach Ermittlungen der Polizei hatten alle drei zuvor mit acht weiteren Personen an einem Lagerfeuer gefeiert und viel Alkohol getrunken. Als der Obdachlose mit den Skinheads allein zurückblieb, sollen sie über das Thema Skinheads in Streit geraten sein. Spaziergänger hatten am vergangenen Mittwoch die Leiche des Obdachlosen aus Dortmund auf den Königswiesen in Schleswig gefunden. Der 45-Jährige war an inneren Verletzungen gestorben. Die beiden Verdächtigen hätten nicht bewusst geplant, "loszugehen um Obdachlose zusammenzuschlagen", sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Ulrike Stahlmann-Liebelt. Sie hätten den 45- Jährigen am Tatabend vor der Auseinandersetzung "ganz lange toleriert". "Das ist überhaupt nicht als rechtsextremistische Tat einzuordnen", sagte die Staatsanwältin. Sie betonte aber auch, die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen. Das betreffe auch mögliche politische Einstellungen der Männer. Stahlmann-Liebelt berichtete, die Beschuldigung laute nicht auf Körperverletzung mit Todesfolge, sondern Totschlag, "denn die Verletzungen sind so massiv gewesen, dass es auch im alkoholisierten Zustand erkennbar war, dass sie zum Tode führen müssen". Auch der Flensburger Kripo-Sprecher Sönke Büschenfeld sagte: "Nach unserer Meinung ist das keine rechtsextremistische Tat, sondern die Sache war eine durch übermäßigen Alkoholgebrauch eskalierte Streiterei, die dieses fatale Ende nahm." Es sei hier nicht so gewesen wie in zurückliegenden Fällen, bei denen aus Menschenverachtung Ausländer oder Angehörige sozialer Randgruppen gejagt worden seien. Nach den bisherigen Ermittlungen gehören die seit Samstag inhaftierten 23-Jährigen keiner rechtsextremistischen Partei oder Organisation an. Sie sähen sich aber selbst als Skinheads, "und gehören auch vom Äußerlichen her dazu", sagte der Kripo-Sprecher. Ob es bei dem Streit um politische Themen gegangen sei, stehe nicht fest. Am heutigen Dienstag findet in Schleswig ein Trauermarsch für den erschlagenen Obdachlosen statt, zu dem mehrere Personen aus unterschiedlichen politischen Richtungen aufgerufen haben. In Schleswig hatte bereits 1988 ein Skin einen Obdachlosen erschlagen und war dafür verurteilt worden. Skins und Obdachlose halten sich in der Stadt häufig an den selben Orten auf, bleiben aber nach Auskunft von Einheimischen in der Regel getrennt. So auch auf den Königswiesen, wo jetzt der 45-Jährige totgeschlagen wurde. Ein Sprecher der Stadt Schleswig bezeichnete die Tat als "ganz mies und schrecklich". Es gebe in Schleswig keine Skinhead-Szene, nur zu den jährlichen "Wikinger-Tagen" reisten Glatzen aus ganz Norddeutschland an.
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