Süddeutsche Zeitung 21.09.2000
Von Thorsten Schmitz Jerusalem Die von Israels Premierminister Ehud Barak überraschend angekündigte Aussetzung der Nahost-Friedensgespräche war nach Angaben von Justizminister Jossi Beilin ein Missverständnis. Barak hatte am Dienstag für Verwirrung gesorgt, als er unter Hinweis auf mangelnde Flexibilität von Palästinenserpräsident Jassir Arafat die Gespräche für 24 Stunden aussetzen wollte. Fünf Stunden später allerdings ließ Barak mitteilen, die Gespräche zwischen Israels Chefunterhändler Gilad Scher und seinem palästinensischen Kollegen Sajeb Erekat würden wie geplant fortgesetzt. Nach Berichten des Rundfunks trafen sich die beiden Unterhändler am Mittwoch, um über Kernfragen der Verhandlungen für eine dauerhafte Friedensregelungen zu beraten. Sie wollten sich in Kürze noch einmal treffen, hieß es. Zuvor waren die Verhandlungen wegen der Verwirrung nach Baraks Äußerung offenbar auf der Kippe gestanden. Ein Sprecher der US-Regierung versuchte, die unübersichtliche Situation mit den Worten zu erklären, die Verwirrung könne auf Erschöpfungszustände zurückzuführen sein. In israelischen Medien hieß es, Barak habe Arafat unter Druck setzen wollen. Als er allerdings realisiert habe, dass seine Erklärung zu einer Krise führen könne, habe er diese zurückgenommen. Nach Meinung der israelischen Regierung hat Arafat seine Forderungen gegenüber Israel verschärft und Zugeständnisse zurückgenommen, die er bei der Nahost-Konferenz in Camp David gemacht hatte. Ein Sprecher der Palästinensischen Autonomiebehörde hatte nach Baraks Zurückrudern erklärt, die Palästinenser weigerten sich, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Die palästinensische Führung hat sich entschlossen, die Verhandlungen erst dann fortzusetzen, wenn Barak seine merkwürdige Entscheidung erläutert hat. Nach dem Scheitern des Friedensgipfels in Camp David und einem erneut fehlschlagenen Versuch Clintons, Arafat und Barak am Rande des UN-Millenniumsgipfels in New York zusammenzubringen, ist es Israelis und Palästinensern bis heute nicht gelungen, substanzielle Gespräche zu führen. Als Haupthindernis gilt die Frage nach dem künftigen Status von Jerusalem. Arafat besteht auf palästinensischer Souveränität über den arabischen Ostteil Jerusalems, während Barak höchstens eine geteilte Souveränität zuließe. Der Streit geht nun schon seit Wochen, ohne dass in Punkten dem wie Rückkehrrecht für palästinensische Flüchtlinge oder die Zukunft der Westbank auch nur ansatzweise eine Lösung gefunden worden ist.
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