Die Welt, 21.09.2000 Türkei Hauptabnehmer von Rüstungsgütern Koalition: Aufträge brachten 5,9 Milliarden Mark Von Hans-Jürgen Leersch Berlin - Die Türkei ist der Hauptempfänger deutscher Rüstungsexporte. Dies geht aus dem ersten "Rüstungsexportbericht" hervor, den das Bundeskabinett gestern in Berlin beschlossen hat. Insgesamt wurden im Jahre 1999 9373 Einzelanträge auf Ausfuhr von Rüstungsgütern genehmigt. Den Gesamtwert der Aufträge beziffert die Regierung auf 5,9 Milliarden Mark. Hinzu kommen noch Sammelausfuhrgenehmigungen über 654 Millionen Mark. Hauptempfängerländer deutscher Rüstungsexporte waren die Türkei mit 1,9 Milliarden Mark und die USA (644 Millionen Mark). Es folgen Italien (508 Millionen Mark) und Israel (477 Millionen Mark). Bei den Lieferungen an die Türkei handelte es sich um Marinetechnik. Israel erhielt ein U-Boot und Teile für Kriegsschiffe. Die USA bezogen überwiegend Handfeuer- und Maschinenwaffen. Wirtschaftsminister Werner Müller sagte, durch den Bericht schaffe die Bundesregierung eine noch "nie da gewesene Transparenz ihrer Rüstungsexportpolitik". Nach der Koalitionskrise wegen der Lieferung eines Testpanzers vom Typ Leopard II an die Türkei hatten SPD und Grüne die Herausgabe des Rüstungsexportberichts beschlossen. In Regierungskreisen hieß es unterdessen, die Türkei werde erst im kommenden Frühjahr entscheiden, für welchen Panzer sie sich entscheide. Ursache der Verzögerung sei, dass der amerikanische Hersteller General Dynamics erst im Sommer seinen Testpanzer vom Typ Abrams geliefert habe. Dieser Panzer ist statt mit einem amerikanischen Turbinentriebwerk mit einem deutschen Dieselmotor, dem so genannten Europower-Pack, ausgerüstet. Außerdem verfügt der Abrams über eine deutsche Kanone. Die Türkei will 1000 neue Panzer kaufen. Die Bundesregierung weist in ihrem Bericht darauf hin, dass sie "auch in Zukunft an ihrer restriktiven Genehmigungspolitik festhalten" werde. Dies wird auch bereits an den 1999 abgelehnten Rüstungsausfuhranträgen deutlich: 85 Anträge mit einem Gesamtwert von 10,1 Milliarden Mark wurden nicht genehmigt. Der CDU-Haushaltsexperte Dietrich Austermann kritisierte das Verhalten der Bundesregierung. Die deutsche Rüstungsindustrie verzeichne "massive Auftragsrückgänge ab 2002", sagte Austermann zur WELT. Ursache seien die neuen Exportrichtlinien der rot-grünen Koalition. Wenn es um Anträge für Lieferungen an Länder außerhalb der Nato gehe, gebe es überhaupt keine Genehmigungen mehr. Auch bei den Instandsetzungen existierten immer weniger Aufträge. Austermann warf der Regierung außerdem vor, beim Kauf von Rüstungsgütern aus dem Ausland keine Kompensationen zu fordern. So sei es in anderen Ländern durchaus üblich, dass sich der Verkäufer verpflichten müsse, im Gegenzug auch Güter des Käufers abzunehmen. Kanzler Gerhard Schröder habe bei seinem Besuch in Spanien nicht über den vom deutschen Konzern Kraus-Maffei gewünschten Kauf einer spanischen Panzerfabrik gesprochen, kritisierte Austermann. Sollte das Werk, in dem der Leopard II produziert wird, an General Dynamics gehen, könnten die USA den Leopard über Spanien an die Türkei liefern. "Die Deutschen bleiben dann außen vor", sagte Austermann.
|