Die Welt, 21.09.2000 "Europäern ist dieser orientalische Unfug nicht zu erklären" Selbstzerfleischung beim Türkischen Bund Berlin - Es geht um Vetternwirtschaft, Wahlbetrug und eine umstrittene Bilanz Von Silvia Meixner Streit im Türkischen Bund Berlin-Brandenburg (TBB): Gestern traten drei der 26 Mitglieder aus. Sie werfen dem Vorstand unter anderem Vetternwirtschaft, eine gefälschte Computer-Rechnung und das Fehlen eines korrekten Finanzberichtes vor. "Alles gelogen", sagt Safter Cinar, Sprecher des Türkischen Bundes, "aber Mitteleuropäern kann man diesen orientalischen Unfug nicht erklären." Der Türkische Bund Berlin-Brandenburg hat rund 10 000 Mitglieder und ist die größte türkische Vereinigung in Berlin. Die drei unzufriedenen Mitglieder und Emine Demirbüken, ehemalige TBB-Sprecherin, die aus Protest zurücktrat, legten gestern die Gründe für ihren Austritt dar: "Ich habe mich jahrelang vergeblich um einen Finanzbericht bemüht. Der Türkische Bund Berlin-Brandenburg hat in der Öffentlichkeit seine Seriosität verspielt." Sabri Baybas, Vorsitzender von Tüfoyat (Vereinigung zur Pflege türkischer Folklore) wirft dem Dachverband vor: "Im wesentlichen bestimmen nur noch drei Personen die Richtung des Vereins. Wir können und wollen vor den Machenschaften des TBB nicht mehr die Augen verschließen." Auch das "Private Konservatorium für türkische Musik Berlin" und Tübiks (Verein für Wissenschaft, Kultur, Sozialarbeit) traten gestern schriftlich aus dem TBB aus. Hauptvorwurf war monatelang der fehlende Finanzbericht. Und als der Vorstand ihn endlich vorlegte, sei er, so die Kritiker, lückenhaft gewesen. Auch die letzte Vorstands-Wahl haben einige Mitglieder angezweifelt: Die Wahl sei nicht demokratisch abgelaufen. Die Kritiker zogen deshalb vor Gericht. "Das Amtsgericht Charlottenburg hat uns am 3. April diesen Jahres bestätigt, dass das Wahlergebnis vom Februar rechtens ist", sagt Safter Cinar, Sprecher des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg. Er prüft derzeit, ob er die abtrünnigen Mitglieder wegen Verleumdung verklagen kann: "Vermutlich hat den Leuten das Wahlergebnis nicht gefallen. Die agieren nach dem Motto: Wir machen eine Kampagne gegen den TBB, irgendetwas wird schon hängen bleiben." Unregelmäßigkeiten beim Kauf dreier Computer räumt er ein: "Es war aber nicht unser Fehler, sondern der des Verkäufers, der in der Rechnung die technische Ausstattung falsch aufgeführt hat. Sein Unternehmen hat die Computer zurückgenommen, wir haben das Geld zurückbekommen und kaufen neue." Der TBB finanziert sich zum Großteil aus Senats- und Bundesmitteln, das Budget für 2000 beträgt 385 000 Mark plus 9000 Mark Spendengelder. Damit werden fünf große Projekte, darunter ein Jugendlichen-Arbeitsmarktprogramm, finanziert. Die Fronten sind verhärtet: "Aber wir sind jederzeit zu Gesprächen bereit", sagt der Sprecher des Türkischen Bundes.
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