Die Presse (Wien), 21.09.2000 In Dänemark schlagen die Sozialdemokraten häßliche Töne an Die Ausländerdebatte wirft einen Schlagschatten auf den liberalen Ruf des Landes; Innenministerin Jespersen profiliert sich als Hardlinerin. Von unserem Korrespondenten HANNES GAMILLSCHEG KOPENHAGEN. In Dänemark nimmt die Ausländerdebatte immer schärfere Töne an. Früher waren die krassesten Ausfälle aus der rechten Ecke gekommen: somalischen Flüchtlinge, deren Heimsendung Probleme machte, empfahl man den Fallschirm-Absprung über ihrer alten Heimat (später als "Scherz" zurückgenommen), straffällige Ausländer sollten mitsamt deren Eltern und Großeltern des Landes verwiesen werden. Doch neuerdings ist es die sozialdemokratische Innenministerin Karen Jespersen, die den Ton angibt. "Kriminelle Asylbewerber" sollten auf einer einsamen Insel isoliert werden, sagte sie. Und in einer "multikulturellen Gesellschaft" wolle sie nicht leben. Auf ihrem jüngsten Kongreß waren die Sozialdemokraten bemüht, den Streit um die Ausländerpolitik zu dämpfen, um nicht die Aufmerksamkeit vom bevorstehenden Euro-Referendum abzulenken. Jespersen wurde mit demonstrativen Ovationen begrüßt, die zeigten, daß viele Delegierte ihre harte Linie unterstützen. Geistige Brandstifterin Und auf diesem Kurs wollen die Sozialdemokraten fortfahren, wenn der Kampf um das Euro-Ja verloren ist und es darum geht, die abgefallenen Wähler zurückzugewinnen. Viele von diesen sind zur rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei übergelaufen, die mit dem Nein zu allem Fremden lockt, ob Euro oder Einwanderer. Ministerpräsident Nyrup Rasmussen versuchte, Jespersens Kritiker mundtot zu machen, indem er ihnen empfahl, auf den Inhalt der Botschaft zu achten und nicht auf den Tonfall. Jespersen ist eine erfahrene Politikerin, die genau wußte, welche Reaktionen ihre umstrittenen Worte auslösen würden. Jetzt werfen ihr linke Kritiker geistige Brandstiftung vor und sehen einen direkten Zusammenhang zwischen ihren Ausfällen und den Anschlägen, die danach gegen mehrere Asylantenunterkünfte gerichtet wurden: Wer die Fremden zur Problemgruppe stemple, gegen die selbst Maßnahmen berechtigt sind, die man gegen die "eigene" Bevölkerung nie ergreifen würde, dürfe sich nicht wundern, wenn dann dumpfe Ausländerhasser zur Selbsthilfe greifen. Niemand bestreitet in der dänischen Debatte, daß es Probleme mit Ausländern gibt. Wenn Kriminelle aus der früheren Sowjetunion unter dem Vorwand eines Asylantrags die Zeit bis zu ihrer Rücksendung für organisierte Raubzüge nutzen, schaden sie der großen Mehrheit ehrlicher Flüchtlinge. Jespersens Kritiker meinen aber, daß das bestehende Strafrecht ausreichen müßte, um ein paar Dutzend Gangstern Herr zu werden. Als problematisch hat man auch die mangelnde Integration vor allem türkischer Einwanderer erkannt. Nein zu Multi-Kultur Mangelnde Integration ist aber nicht nur die Schuld der Betroffenen. Daß viele Ausländer aus "weniger entwickelten Ländern" nie auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen konnten, ist nicht zuletzt auf die mangelnde Durchlässigkeit des Arbeitsmarkts zurückzuführen, auf dem oft schon ein fremd klingender Name die Chance auf ein Einstellungsgespräch zunichte macht. Jespersen unterstreicht, daß Grundwerte wie Menschenrechte oder Gleichberechtigung unantastbar seien und begründet damit ihr Nein zu einer "multikulturellen Gesellschaft". Empört erwiderten ihr Parteimitglieder mit anderer ethnischer Herkunft, daß es dabei keinen Widerspruch gebe. Doch auch andere führende Sozialdemokraten benützen kleine Gruppen von Fundamentalisten, die die Todesstrafe und die Einführung islamischer Gesetze fordern, um so zu tun, als seien diese repräsentativ für die wachsende moslemische Bevölkerungsgruppe. Die "dänische Kultur", die jetzt alle von ganz rechts bis zu Karen Jespersen verteidigen wollen, war bisher von Toleranz und Liberalität geprägt. Alle Erfahrungen zeigen, daß sozialdemokratische Versuche, mit Themen zum Erfolg zu kommen, die der rechte Flügel besetzt hat, zum Scheitern verurteilt sind. Jetzt klingt Karen Jespersen wie früher nur Pia Kjaersgaard von der Dänischen Volkspartei. Umfragen zeigen schon, daß Kjaersgaard davon profitiert, wenn die Ausländerfrage zum Thema hochstilisiert wird, und nicht etwa die Sozialdemokraten. Wenn Dänemark seine Ausländerpolitik verschärft, hat dies auch internationale Konsequenzen. Gerade weil das Land ein liberales Image hat, haben in Kopenhagen erfundene Verschärfungen - ob es die Klausel des "sicheren Erstasyllands" war oder die Bestimmung, Fluggesellschaften durch Bußgelder davon abzuschrecken, Flüchtlinge ohne gültige Visa mitzunehmen - immer wieder auf die Gesetzgebung anderer Länder abgefärbt. Nach dem Motto: Wenn dies die Dänen tun, muß es wohl in Ordnung sein.
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