Frankfurter Rundschau, 23.09.2000 Erlösung vom Nichtstun Die Aufhebung des widersinnigen Arbeitsverbots für Flüchtlinge ist keine Ideallösung, aber immerhin ein leises Zeichen Von Vera Gaserow Der Abschied von irrationalen Ängsten gelingt oft nur in mühsamen Trippelschritten, und manchmal reicht die Kraft zum politischen Kompromiss nur für zwei Drittel der Strecke. Gut zwei Jahre Gezerre und Gepoker hat die rot-grüne Koalition gebraucht, um einen ebenso folgenreichen wie unsinnigen Verwaltungserlass zu begraben. Einige dürre Zeilen auf Ministeriumspapier hatten vor drei Jahren neu ankommenden Asylbewerbern ohne Ausnahme verboten, was Deutschen erklärte Selbstverständlichkeit sein sollte: dass man sich den Lebensunterhalt möglichst selbst verdient und der Gemeinschaft nicht unnötig auf der Tasche liegt. Die Folgen dieser amtlichen Verpflichtung zum Nichtstun waren verhängnisvoll - für jeden einzelnen Flüchtling, der zum Däumchendrehen oder zur Schwarzarbeit verurteilt war, aber auch für die deutsche Gesellschaft. Denn der Erlass bestärkte die unselige Parole: Die Ausländer nehmen uns die Arbeit weg, und wer in Deutschland Asyl sucht, sucht in Wirklichkeit nichts anderes als einen Job. Die Konsequenz gebar ein weiteres Klischee: Die Asylanten zocken unsere Sozialhilfe ab. Wirtschaftsunternehmen, Sozialgerichte, Handwerksbetriebe, Sozialhilfeträger - sie alle haben über Jahre hinweg auf die Inhumanität und die Widersinnigkeit des Arbeitsverbots hingewiesen. Jetzt hat Rot-Grün einen Kompromiss gefunden, der zigtausenden wie eine Erlösung vom entwürdigenden Zwang zum Nichtstun vorkommen muss. Keine Ideallösung für alle Flüchtlinge. Aber immerhin ein leises Zeichen dafür, dass eine Gesellschaft auf Zuwanderung nicht nur mit phobischen Reflexen reagieren kann.
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