Delmenhorster Kreisblatt, 23.09.2000 Verhalten der Rathausspitze durchkreuzte eine Bleibe-Lösung für den jungen Kurden Hasans Hintertür ist zugeschlagen Delmenhorst. Nach den rechtlichen Möglichkeiten sind im Fall Hasan jetzt auch die politischen erschöpft. Die Bemühungen einiger Politiker auf Stadt- und Landesebene, in stiller Diplomatie wenigstens einen Aufschub der von der städtischen Ausländerbehörde sehr energisch betriebenen Abschiebung des 18-jährigen kurdischen Schülers zu erwirken, sind an der unnachgiebigen Haltung der Rathausspitze gescheitert. Eine sich steigernde Wechselwirkung zwischen öffentlichem Druck auf die Stadt, Hasan Sevimli befristeten weiteren Aufenthalt zu gewähren, und der starren Ablehnung im Rathaus hat dazu geführt, dass die ohnehin nur schmale und leicht geöffnete Hintertür zu einer Pro-Hasan-Lösung nun fest zugeschlagen ist. Den letzten Stoß gab ihr kürzlich die öffentlich erklärte Bekräftigung von Oberstadtdirektor Dr. Norbert Boese, dass seine Behörde "keinen Ermessensspielraum" für eine Duldung des Jungen habe. Ein zuvor eingeholtes neuerliches Attest der Bezirksregierung in Oldenburg und ein angeblicher Einklang mit dem SPD-geführten niedersächsischen Innenministerium stützten das Nein - allerdings nur vordergründig. Denn der Fall lag zu dieser Zeit differenzierter und war im Ergebnis offener, als es die rechtlichen Bewertungen der Aufsichtsinstanzen besagten, die Boese zur Rechtfertigung der städtischen Härte zitierte. Eine Chance für Hasan Sevimli gab es sehr wohl, sie lag in einer "Grauzone" unterhalb einer offiziell von der Stadt ausgesprochenen formalrechtlichen Duldung, bei der das Ministerium sich zum Einschreiten hätte gehalten sehen können: Wäre Hasans Aufschiebung durch souveräne Entscheidung des Rathauses mit individueller Begründung ausgesetzt worden, um ihn sein 10. Schuljahr machen zu lassen, hätte Hannover - so verlautete zuverlässig - dies hingenommen, ohne gegen die Stadt aktiv zu werden. Doch als diese vertraulich signalisierte Linie des Ministeriums durch engagierte Delmenhorster Anhänger des rechtskräftig abgelehnten Asylbewerbers in einer überdehnten Auslegung und mit wenig Fingerspitzengefühl publik gemacht wurde, sah man sich in der Landesregierung zum vorsichtigen Rückzug und dem Hinweis aufgefordert: Eine offizielle Duldung zwinge das Ministerium zu Konsequenzen (die allerdings unklar blieben). Spätestens mit der öffentlichen Festlegung des Rathauschefs, die Abschiebung sei unumgänglich und anderes Vorgehen ein Rechtsverstoß, war dann der Weg zu einer humanitären Regelung unter der aufenthaltsrechtlichen Schwelle verbaut. Und spätestens mit der Kurskorrektur des Innenressorts nach außen musste dort der diskrete Einsatz der Politiker ins Leere laufen. Die vorentscheidende Wende gegen Hasan aber ereignete sich schon früher. Sie liegt in der Abschiebungsorder der Stadtverwaltung, die auf dem Höhepunkt des öffentlichen Engagements für den jungen Kurden, insbesondere durch seine Schule, geradezu trotzig anmutete. Sie zog dramatische Folgen nach sich: Die Ausländerbehörde veranlasste die Polizei zu einer nächtlichen Greifaktion gegen Hasan, der aber bereits vor seinen Verfolgern aus der Wohnung von Onkel und Tante in ein Versteck geflüchtet war. Schon von diesem Zeitpunkt der Eskalation an erschien nur noch schwerlich eine Umkehr des Rathauses möglich. Und Hasan stand folglich vor der einzigen Alternative Untergrund oder Abschiebung in die Türkei, wo er zumindest seine Drangsalierung in der strengen Wehrpflicht fürchtet. Endgültig besiegelt wurde dann sein Delmenhorster Schicksal durch die Boese-Erklärung. Der Rathauschef kann freilich auch als Figur besagter Wechselwirkungen des Falles gelten, als Handelnder in einer Art Zwickmühle. Selbst wenn er eine befristete Bleibelösung gewollt hätte (der Fall habe ihn "nicht unberührt" gelassen, gab er an), wäre er im Streben danach nicht frei gewesen. Der für Ausländerfragen und damit die Hasan-Sache zuständige Dezernent ist sein Stellvertreter und Erster Stadtrat Bernd Müller-Eberstein, gegen dessen unverrückbare Abschiebe-Linie Boese sich hätte stellen müssen. Das hätte er schon als Verwaltungschef kaum durchhalten können - und erst recht nicht mit ehrgeizigen Zukunftsplänen: Als Wahlkämpfer um das Oberbürgermeisteramt hätte der SPD-Mann mit einer Gegenposition zu seinem CDU-Stellvertreter in einer so heiklen Frage eine verwundbare Flanke geöffnet.
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