Stuttgarter Zeitung, 23.09.2000 Stadt gegen Islamisten Die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) ist von der zurzeit laufenden Veranstaltungsreihe "Muslime in Stuttgart'' ausgeladen worden. Oberbürgermeister Wolfgang Schuster lässt nun das Programm ändern. Von Christoph Schlegel In einer Sitzung des Ältestenrates ist es am Donnerstag nach Informationen der StZ zu einem heftigen Streit gekommen. Oberbürgermeister Wolfgang Schuster hatte sich offenbar vehement gegen eine Beteiligung der vom Verfassungsschutz als "fundamentalistische Organisationen'' eingestuften islamischen Gruppierungen Milli Görüs und Islamische Gemeinschaft Deutschland an der Reihe "Muslime in Stuttgart'' ausgesprochen. "Ich halte es nicht für richtig, dass wir extremistische Vereinigungen unterstützen, sei es materiell oder ideell'', sagte Schuster auf Anfrage. Gestern nun ließ Schuster vermelden, dass sich "die Stadt Stuttgart von den im Verfassungsschutzbericht erwähnten Vereinigungen distanziert und diese aus dem Veranstaltungsprogramm streicht''. Das Programmheft werde, wo immer möglich, zurückgeholt und vernichtet. Zuvor hatten sich bereits mehrere türkische Vereinigungen in einem Schreiben an Schuster für einen Ausschluss von Milli Görüs stark gemacht. "Statt den Dialog zwischen Muslimen und Christen zu fördern, spaltet die Stadtverwaltung mit dieser Aktion die ausländischen Mitbürger dieser Stadt'', heißt es in dem Brief, der unter anderem von der Deutsch-Türkischen Gesellschaft und der Union Türkischer Akademiker unterzeichnet wurde. "Organisationen wie Milli Görüs vertreten nur etwa 20 Prozent der hier lebenden Moslems'', sagt Ersin Urgusal von der Deutsch-Türkischen Gesellschaft. Urgusal begrüßt den Ausschluss der Fundamentalisten, gibt sich aber selbstkritisch: "Wir als liberale Gruppierung waren vielleicht zu passiv.'' Der Dialog mit Moslems sei der richtige Weg, "aber dann darf man nicht nur mit einer bestimmten Gruppe reden'', so Urgusal. "Milli Görüs will langfristig ein Mitspracherecht in einer Stadt bekommen, deshalb arbeiten sie an intensiven Kontakten zu Politik und Verwaltungsangestellten'', sagt Hareyttin Aydin vom Zentrum für Türkeistudien an der Universität Essen. Die Vereinigung gelte mit 27000 Mitgliedern als eine der größten islamischen Organisationen in Deutschland, die eine "bedeutende Kraft des türkischen Islamismus darstellt''. Dass die anderen türkischen Organisationen "im Nachhinein die Veranstaltung'' torpedieren, hat dagegen für Unverständnis bei Pfarrerin Barbara Bürkert-Engel von der Gesellschaft für Christlich-Islamische Begegnung (CIBZ) gesorgt. Man habe im Vorfeld alle islamischen Vereinigungen in der Stadt angeschrieben. Die anderen seien im Gegensatz zu Milli Görüs nicht zu einer Zusammenarbeit bereit gewesen.
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