Süddeutsche Zeitung, 26.9.2000 Schily: Zuwanderung ohne Tabu diskutieren Berlin (AFP/ddp) - Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hat eine offene Diskussion über die Zuwanderung gefordert. "Zuwanderung kann mit Belastungen verbunden sein, vor allem, wenn sie ungesteuert verläuft", sagte Schily der Tageszeitung Die Welt. Es wäre "verhängnisvoll", diese Probleme nicht offen zu diskutieren. Es dürfe "keine Denkverbote geben. Nichts soll zum Tabu erklärt werden", betonte der Minister. Schily betonte, es sei "nicht ausländerfeindlich", darauf hinzuweisen, dass Integrationsbereitschaft gerade die Einwanderer zeigen müssten. Der Minister warnte davor, Zuwanderungsraten "ausschließlich nach demografischen Kriterien" festzulegen. "Es muss stets berücksichtigt werden, wie viele Menschen in welchem Zeitraum integriert werden können." Der Minister kritisierte, dass "Asylverfahren in großem Umfang zur Einwanderung genutzt würden. Das beweise die niedrige Anerkennungsrate bei Asylsuchenden. Belegt sei dies dadurch, dass 80 Prozent der Entscheidungen des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge angefochten würden, aber gut 90 Prozent der Gerichtsentscheidungen die Ablehnung der Asylgesuche bestätigten. In der Financial Times Deutschland präzisierte Schily, die Bundesrepublik habe ein Interesse an Zuwanderung. Sie müsse aber im Einklang mit den politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und demografischen Interessen des Landes stehen. Schily sprach sich gegen den Vorschlag von EU-Justizkommissar Antonio Vitorino aus, den Nachzug von Familien zu erleichtern. Die PDS kritisierte, mit seinen Äußerungen mache sich Schily zum "Stichwortgeber der Neonazis". Anstatt sich mit den Opfern rechtsradikaler Übergriffe zu solidarisieren, erkläre Schily einmal wieder die Ausländer zum eigentlichen Problem, betonte die PDS-Bundestagsabgeordnete Angela Marquardt. Schilys Ansicht sei ein Fundament des Rassismus, auf dem die Nazi-Schläger ihre Gewalttaten begründeten.
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