Frankfurter Rundschau, 26.9.2000 Unteroffizier wegen Rassismus entlassen Schmähungen per Handy verschickt / Soldat türkischer Herkunft beschwerte sich Von Canan Topçu Wegen rassistischer Äußerungen ist ein Stabsunteroffizier der Bundeswehr entlassen worden. Bekannt wurde der Vorfall durch die Beschwerde eines ehemaligen Wehrdienstleistenden türkischer Herkunft. FRANKFURT A. M., 25. September. "Wenn Ali an der Eiche baumelt und der Mehmet durch den Gasraum taumelt, wenn man mit dem Hakan unsere Straßen teert, dann ist Deutschland wieder lebenswert." Diesen Spruch hat Olaf-Engin G., ehemaliger Wehrdienstleistender, nicht vergessen. Während des Dienstes habe ein Stabsunteroffizier diesen Text vom Display seines Mobiltelefons vorgelesen, berichtet der 20-Jährige. Wenige Tage später habe der Vorgesetzte den menschenverachtenden Text dann an das Mobiltelefon eines Kameraden gesendet, der die Mitteilung in Anwesenheit des Soldaten Olaf-Engin G. erhalten habe. Entsetzt darüber, dass sich nicht nur Wehrdienstleistende offen zu ihrer Ausländerfeindlichkeit bekennen, sondern auch höhere Dienstgrade der Bundeswehr kein Geheimnis aus ihrer rassistischen Gesinnung machen, beschwerte sich Olaf-Engin G. im Februar dieses Jahres schriftlich beim Wehrbeauftragten des Bundestages. Während seines zehnmonatigen Wehrdienstes habe er immer wieder festgestellt, dass Soldaten gleichgültig oder gar zustimmend gegenüber Rassismus waren. Als Deutscher türkischer Herkunft sei er vielleicht sensibilisierter als andere; er hoffe, dass der Ausländerhass von Führungskräften in der Bundeswehr nicht ungestraft bleibe, schrieb Olaf-Engin G.. Wegen der schweren Vorwürfe schaltete der zuständige Kommandeur den Wehrdisziplinaranwalt Helmut Clas ein, der gegen den Beschuldigten Ermittlungen einleitete. Auf Anfrage der FR erklärte Clas, dass das gesamte Umfeld des Unteroffiziers dafür spreche, dass die Vorwürfe berechtigt sind. "Auf Rassismus und Faschismus reagieren wir äußerst sensibel und mit äußerster Härte", sagte Clas. Im September, noch bevor das Truppendienstgericht sich mit dem Fall beschäftigte, wurde der Unteroffizier aus der Bundeswehr entlassen. Dagegen legte der 25-Jährige, der im Feldjägerbataillon 740 in Mainz beschäftigt war, Widerspruch ein. 89 Beschwerden wegen ähnlicher Fälle von Fremdenfeindlichkeit gingen allein in den ersten sechs Monaten dieses Jahres bei Wilfried Penner, dem Wehrdienstbeauftragten des Deutschen Bundestages, ein. Die meisten Vorwürfe (58) richten sich gegen Grundwehrdienstleistende, in zwölf Fällen werden Zeitsoldaten und drei Mal Berufssoldaten beschuldigt. Anlass der Beschwerden sind nach Auskunft von Penner meist verbale Schmähungen. "Dinge eben, die in den Kasernen immer wieder passieren", sagte Penner. Dazu gehörten "Gröl- und Lallgeschichten", rassistische Musiktexte, fremdenfeindliche Äußerungen, Hakenkreuz-Tätowierungen und der Hitler-Gruß. Von den 89 Beschwerden, die im ersten Halbjahr 2000 in Berlin eingingen, hatten 20 einfache, zwölf gerichtliche Disziplinarmaßnahmen und vier vorzeitige Entlassungen zur Folge.
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