junge Welt, 28.09.2000 Nach Bagdad ohne Persilschein Irak-Sanktionen: Rußland und Frankreich als Blockadebrecher. Embargo beginnt zu bröckeln Paris hat es wieder geschafft, den großen Bruder jenseits des Atlantiks auf die Palme zu treiben. Die entrüstete Erklärung von Richard Boucher, Sprechers des US-Außenministeriums, Ende letzter Woche sprach für sich selbst: »Zu einer Zeit, in der Irak fortgesetzt das UNO-Embargo herausfordert, hat Frankreich, ein ständiges Mitglied des UNO-Sicherheitsrates, einen Flug in den Irak erlaubt - und das in krasser Verletzung der UNO-Sanktionen. Der Flug fand in klarer Mißachtung der UNO und ihrer eingespielten Verfahren statt. Wir können nicht verstehen, warum die französische Regierung, die dieses Problem in den Vereinten Nationen bereits seit geraumer Zeit angesprochen hat, nicht wenigsten zwölf Stunden auf die Zustimmung des UNO-Sanktionsausschusses hat warten können.« Die Franzosen hatten mit ihrem Flug nach Bagdad am vergangenen Freitag gar nicht erst auf die Genehmigung des UNO-Sanktionskomitees gewartet, während der erste russische Flug in den Irak eine Woche früher noch vom Komitee gebilligt worden war, obwohl auch Vertreter der russischen Ölindustrie zu den Passagieren gehörten. Einen Tag nach dem französischen Flug schickte Rußland erneut eine zivile Maschine nach Bagdad, diesmal aber ohne dafür die Genehmigung des UNO-Sanktionsausschusses einzuholen. An Bord waren erneut Hilfsgüter aber auch eine Jugend- Fußballmannschaft, eine Musikgruppe und Politiker. Trotz massiven amerikanischen und britischen Widerstands plant Rußland, schon bald den regelmäßigen Flugverkehr mit Irak wieder aufzunehmen. Ähnliches scheint Frankreich vorzuhaben, das darauf besteht, niemals das von den USA und Großbritannien betriebene Flug-Embargo nach Bagdad anerkannt zu haben. Damit stellt sich Paris in dieser Frage demonstrativ an die Seite Moskaus. Schließlich war der Irak vor dem Golfkrieg in beiden Ländern ein besonders guter Kunde. Und in beiden Ländern hat Bagdad noch große Schulden aus vergangenen Handelsgeschäften. Nach dem Treffen des UNO-Sicherheitsrates am 23. September kündigte der französische UNO-Botschafter, Jean-David Levitte, »noch weitere Flüge« nach Bagdad an, womit er sicherlich nicht nur französische Flüge meinte. Eine irakische Zeitung hat bereits alle Araber dazu aufgerufen, »Mut zu beweisen und die Flugverbindungen nach Irak wieder aufzunehmen.« Selbst in den Medien der Golfstaaten wurde dieser Aufruf überwiegend positiv beantwortet. »Das Flugembargo zerbröckelt«, schrieb die Zeitung Al-Watan in Quatar. Von den westlichen Staaten würde es ohnehin »je nach eigener Interessenlage interpretiert.« Eine andere Zeitung meinte, daß »sich hinter den russischen und französischen Flügen in den Irak neue Strategien für die gesamte Region verstecken« und rief deshalb die arabischen Länder dazu auf, »in Bezug auf Irak die Initiative zu ergreifen, um nicht gegenüber dem Westen an Boden zu verlieren.« Der Westen würde zwar Embargos verhängen, allerdings nur, um sie »auf der Suche nach neuen Investitionsmöglichkeiten wieder zu brechen.« Lediglich saudiarabische und kuwaitische Medien warnten vor der Aufhebung des Flugembargos, was den Weg zur völligen Aufhebung des Handelsembargos ebnen würde. Dafür hatten sich bereits Rußland, China und Frankreich ausgesprochen. Schließlich verfügt der Irak nach Saudi- Arabien über die größten Ölvorräte am Persischen Golf. Trotz der von der UNO verhängten Exportrestriktionen soll die Ölausfuhr Irak allein in diesem Jahr auf Grund der hohen Ölpreise fast 20 Milliarden Dollar einbringen. Die Einfuhr ist jedoch durch das UNO-Handelsembargo begrenzt. Da möchten auch andere nicht abseits stehen. Jordanien und Island haben bereits einen Flug nach Irak angemeldet. Rainer Rupp
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