Berliner Morgenpost, 29.9.2000 LEBENSMITTEL UND KLEIDUNG PER CHIPKARTE BEZIRKE PRÜFEN EINFÜHRUNG VON BARGELDLOSER ZAHLUNG FÜR ASYLBEWERBER Von Andreas Gandzior Charlottenburg/ Wilmersdorf - Seit rund 18 Monaten erhalten Asylbewerber beim Bezirksamt Reinickendorf kein Bargeld mehr, sondern beziehen ihre Leistungen über eine aufladbare Geldkarte. Im Beamtendeutsch heißt das: «Zur Durchführung des Sachleistungsprinzips nach dem Asylbewerberleistungsgesetz wird das Abrechnungssystem über Chipkarten praktiziert.» Was sich in Reinickendorf, Spandau, Tiergarten und Wedding bewährt hat, wird nun in Charlottenburg und Wilmersdorf diskutiert. Denn so richtig kann man sich im künftigen Fusionsbezirk mit dem Gedanken einer Chipkarte noch nicht anfreunden. «Wir stehen der Einführung eher skeptisch gegenüber» sagt Peter Laase, Referent in der Abteilung Soziales und Gesundheit in Charlottenburg. «Die entstehenden Kosten müssten aus dem Sozialetat gezahlt werden.» Wilmersdorfs Sozialstadträtin Martina Schmiedhofer (B 90/ Grüne) gibt sich diplomatisch. «Wir werden die Vor- und Nachteile diskutieren und den Willen der Bezirksverordneten umsetzen.» In dem zweiten gemeinsamen Sozialausschuss der Bezirke informierten Mitarbeiter des Kartenherstellers Infra Card GmbH über ihr Produkt. Danach werden in der Leistungsstelle, die nach der Fusion in Charlottenburg sein wird, die Karten monatlich aufgeladen. Sie funktionieren mit einem vierstelligen Pin-Code und werden in verschiedene «Börsen» unterteilt. So können zum Beispiel 200 Mark in der «Kleidungsbörse» und 600 Mark in der «Lebensmittelbörse» gespeichert werden. In entsprechend ausgestatteten Geschäften, nach Angaben der Kartenfirma in ganz Berlin, kann die Karte dann eingesetzt werden. Beim Einkauf wird der ausgegebene Betrag automatisch von dem Guthaben auf der Karte abgebucht. Das Bezirksamt erhält eine detaillierte Auflistung aller getätigten Käufe. 1,53 Prozent der Umsätze erhält die Kartenfirma. Rund 7000 Mark kostet die Ausstattung eines Arbeitsplatzes im Amt. Als Vorteile nennt die Firma unter anderem die lückenlose Kostenkontrolle, weniger Aufwand und mehr Sicherheit. Bei Verlust kann die Karte sofort gesperrt werden. «Wenn es der politische Wille ist, diese Karte einzuführen, dann werden wir sicher auch noch mit anderen Anbietern sprechen», sagt Laase. Auch in Wilmersdorf informiert man sich bei anderen Firmen. «Es ist nicht das einzige Unternehmen, mit dem wir im Gespräch sind», sagt Stadträtin Schmiedhöfer. Dass die Chipkarte noch für Diskussionen sorgen wird, verdeutlicht ein Zwischenruf im gemeinsamen Sozialausschuss. «Das wird bestimmt zum großen Showdown in der Bezirksverordneten-Versammlung führen.»
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