Frankfurter Rundschau, 29.9.2000 Immer mehr Staaten pfeifen auf das Embargo gegen Irak Frankreich, Russland und Jordanien schicken Flugzeuge nach Bagdad / Heftige Kritik von den USA und Großbritannien Der Druck, die von den Vereinten Nationen vor fast zehn Jahren verhängten Sanktionen gegen Irak aufzuheben, wird immer stärker. Frankreich, Russland und Jordanien haben trotz des UN-Flugverbots Maschinen nach Irak geschickt. Der libysche Revolutionsführer Moammar al Ghaddafi erwägt offenbar einen Staatsbesuch in Irak. Auf dem internationalen Flughafen von Bagdad geht es dieser Tage fast zu wie im Taubenschlag. Beinahe täglich landet hier ein Flugzeug aus dem Ausland - obwohl das Embargo nach wie vor in Kraft ist. Am Mittwoch traf eine jordanische Maschine mit Hilfsgütern ein, an Bord waren auch drei Minister und mehrere Parlamentsabgeordnete, erklärte der jordanische Kulturminister Mahmud Kajid. Es war die erste arabische Maschine, die seit zehn Jahren in Bagdad landete. Etwas schneller war eine französische Privatinitiative: Vergangene Woche flogen etwa 65 Ärzte, Sportler und Künstler von Paris nach Bagdad, am heutigen Freitag soll ein weiteres Flugzeug mit politischer Prominenz an Bord starten. "Dieser zweite Flug hat einen explizit politischen Charakter", erklärt Subi Toma, Sprecher der Initiative "Ein Flugzeug für den Irak". Ihren Platz an Bord hätten bereits drei ehemalige französische Minister gebucht, darunter Ex-Außenminister Claude Cheysson sowie 50 Abgeordnete aus Frankreich, der Schweiz, Belgien und Großbritannien. Aus Deutschland fliegen zwei Juristen mit, die sich nach Angaben Tomas vergeblich darum bemüht hätten, deutsche Abgeordnete für das Projekt zu gewinnen. Ziel der Operation sei es, auf "das Massaker an der Zivilbevölkerung" aufmerksam zu machen, das eine Folge des seit mehr als zehn Jahren andauernden Embargos gegen das arabische Land sei. Nach Ansicht der Organisatoren finden die Flüge, die von den USA und Großbritannien heftig kritisiert werden, völlig legal statt. "Die Sanktionen gegen Irak untersagen keine zivilen Flüge in das Land, daran wollen wir erinnern", sagt Toma. Diese Version macht sich auch das französische Außenministerium zu eigen. "Es gibt kein totales Luftraumembargo gegen Irak", erklärt ein Sprecher des Quai d'Orsay, Jerôme Cochart. Nur kommerzielle Flüge und Frachtflüge müssten laut den Texten des UN-Sicherheitsrates genehmigt werden. Für humanitäre Flüge dagegen reiche es, diese dem UN-Sanktionskomitee mitzuteilen. Der französische Zoll kontrolliere vor dem Abflug, ob keine kommerziellen Frachtladungen an Bord seien. Die USA sehen in dieser Vorgehensweise einen Verstoß gegen die UN-Resolutionen. Der französische Außenminister Hubert Védrine betonte hingegen vor wenigen Tagen, dass Frankreich das Recht habe, die von ihm mit ausgearbeiteten Resolutionen zu interpretieren. Die Genehmigung der humanitären Flüge bedeute nicht das Ende des Embargos. Die Sanktionen könnten erst aufgehoben werden, wenn Irak mit den Vereinten Nationen kooperiere, sagte Védrine. In Deutschland hält man sich bedeckt. Das Auswärtige Amt ließ auf Anfrage lediglich verlauten, dass eine "einheitliche Haltung des Sicherheitsrates zur Lösung dieser Frage wünschenswert" wäre und man sich der "Leiden der Zivilbevölkerung sehr bewusst" sei. Wie Agenturen berichten, will der libysche Revolutionsführer Moammar al Ghaddafi offenbar als erster arabischer Staats-chef nach Irak reisen. Als Datum sei der 3. Oktober vorgesehen. Russische Medien berichteten, dass die Regierung in Moskau ein Abkommen über die Errichtung von Kulturzentren in Irak unterzeichnet habe. Außerdem plane die Fluggesellschaft Aeroflot die Wiederaufnahme des regulären Luftverkehrs mit Irak. Syrien forderte unterdessen, die Strafmaßnahmen gegen das arabische Nachbarland zu beenden. (an/dpa/ap)
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