Die Presse (A), 30.9.2000 Rennen um Pole-Position in Bagdad hat begonnen Das UN-Embargo wird löchriger; doch um einer Aufhebung nahe zu kommen, wird Bagdad Waffeninspektionen zulassen müssen. DIE ANALYSE von CHRISTIAN ULTSCH Das irakische Regime jubelt. "Die Sanktionen beginnen zusammenzubrechen", verkündete Vizepremier Tarek Aziz. In den vergangenen Tagen ist ein Ziviljet nach dem anderen auf dem wiedereröffneten Flughafen in Bagdad gelandet. Den Anfang machten die Russen, die Franzosen folgten auf dem Fuß. Mit Jordanien und Jemen scherten nun auch zwei arabische Staaten aus. Die USA und Großbritannien können ihren Ärger kaum verhehlen. Ein Jahrzehnt lang hatte ihre Interpretation einschlägiger UN-Resolutionen Geltung, wonach sich das Embargo gegen Bagdad auch auf den zivilen Flugverkehr zu erstrecken habe. Saddam Hussein spürt Oberwasser. Der Erdölpreis steigt ebenso wie die weltweite Kritik an der mangelnde Treffsicherheit der Sanktionen. Die beharrlichen Vorstöße Frankreichs und Rußlands im UN-Sicherheitsrat tragen Früchte: Das UN-Sanktionen-Komitee bestimmt zwar immer noch - wenn auch nicht so extensiv wie früher -, was in den Irak exportiert werden darf. Seit diesem Jahr ist Bagdad jedoch immerhin gestattet, im Rahmen des UN-Programms "Öl für Lebensmittel" so viel Öl verkaufen, wie es will. Das Regime in Bagdad hat plötzlich wieder Spielraum, um zu taktieren. Saddam ist nicht darum verlegen, sein Gewicht in die Waagschale zu werfen, um die für die westliche Welt so heiklen Erdölpreise zu beeinflussen. Er könne seine Erdölexporte ja auch drosseln, deutete er zuletzt an. Gleichzeitig bot er er der EU an, das Erdöl künftig in Euro abzurechnen und nicht in den für die Europäer so teuer gewordenen Dollars. Jenen, die sich fleißig für die Aufhebung der Sanktionen einsetzen, winkt Saddam mit fetten Millionenaufträgen. Längst hat in Bagdad das Rennen um die Pole-Position begonnen. Besonders auffallend war zuletzt der Eifer der Franzosen. Dem Vernehmen nach hat Paris sein Kontingent an Diplomaten, die in der irakischen Hauptstadt wirtschaftliche Kontakte knüpfen sollen, stark ausgeschöpft. Österreich zieht nach
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