Hamburger Abendblatt, 30.9.2000 Die grüne "Anwältin der Flüchtlinge" verspricht: Das Asylrecht bleibt! Von MAIKE RÖTTGER Berlin - Für die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung Marieluise Beck (Grüne) gibt es keinen Zweifel mehr: Die Debatte um eine Abschaffung des Asylrechts im Rahmen eines neuen Zuwanderungsgesetzes ist ausgestanden - auch wenn Innenminister Otto Schily (SPD) seine Sympathie für diese Idee immer wieder andeutet. "Die Fraktionen von SPD und Grünen sind sich einig, dass es keine Vorstöße geben wird, das Grundrecht zum Asyl abzuschaffen", sagte sie dem Abendblatt zum "Tag des Flüchtlings" am Freitag. Ein Zuwanderungsgesetz soll daran nichts ändern. Es wird im Wesentlichen, wie Beck sagt, "den Zugang der Arbeitskräfte nach Deutschland regeln, der bisher kaum möglich ist". Der Eindruck, die Zuwanderung nach Deutschland sei ungesteuert, hält sie für falsch. "Wir haben auch jetzt geregelte Bahnen. Neu ist allein die Arbeitskräftezuwanderung", sagt sie. Deutschland ist nicht - wie oft wahrgenommen - das Asylland Nummer eins in Europa. Im europäischen Vergleich steht es auf Platz zehn der Aufnahmeländer. Nach dem Einwanderungsboom in den Jahren 1991 bis 1993, als jährlich 200 000 Menschen in Deutschland Asyl suchten, ebbten die Flüchtlingsströme immer mehr ab. 1999 beantragten 95 113 Menschen Asyl in Deutschland. Im Bereich des Asyls deuten sich für die Zukunft eher liberalere Regelungen an. In Brüssel wird derzeit an einem europäischen Asylsystem gearbeitet. "Die Vorschläge, die bisher von der EU dazu vorliegen, sind fortschrittlicher und großzügiger", sagt Beck. Im Recht auf Familiennachzug würden die Bürger aus Drittstaaten den EU-Bürgern fast gleichgestellt. Diese Entwicklung kann die Ausländerbeauftragte nur begrüßen. Die EU-Innenminister einigten sich bereits auf einen gemeinsamen Fonds für die Kosten zur Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen. Bis 2004 stehen rund 427 Millionen Mark zur Verfügung. Marieluise Beck ist relativ zufrieden mit der Entwicklung der Ausländerpolitik auch in Deutschland. "Es liegt in der Natur der Sache, dass die Beauftragte immer weiter springen will als die Regierung. Es ist auch ihre Rolle, Anwalt zu sein", sagt sie. "Mit der rot-grünen Regierung aber hat sich sehr vorsichtig etwas bewegt." Sie nennt eine neue - wenn auch nicht weit genug gehende - Altfallregelung. Mit dem Innenminister ist sie sich einig, dass auch traumatisierte bosnische Kriegsflüchtlinge ein Bleiberecht in Deutschland bekommen werden. Außerdem wurde der Zugang für Flüchtlinge zum Arbeitsmarkt erst in der vergangenen Woche neu geregelt. Bisher dürfen Asylbewerber nicht arbeiten, künftig soll ihnen dies nach einem Jahr Aufenthalt gestattet sein. Das Argument der Opposition, dies würde Asylbewerber anlocken, hält Beck für "irrwitzig". "Die Zugangsmöglichkeiten für Asylbewerber haben sich doch damit nicht geändert!" Wie sehr die Gesellschaft aber auch bereit ist, Ausländer zu integrieren, hängt für Beck vor allem von den "Verhältnissen vor Ort" ab. Sind die Gemeinden, Schulen und Bürger so vorbereitet, dass es keine Konflikte gibt? "Die Aufnahmefähigkeit einer Gesellschaft ist nicht objektiv messbar", sagt Beck. "Man muss sich im Klaren sein, dass Zuwanderung eine verstärkte Anstrengung der aufnehmenden Gesellschaft bedeutet." Doch diese macht eindeutig Unterschiede zwischen den Flüchtlingen. Mit sehr viel Mitgefühl hätten die Deutschen die Kriegsflüchtlinge aus dem Kosovo und Bosnien aufgenommen, sagt Beck. Menschen aus Schwarzafrika hingegen hätten es schwer. "Die Menschen wissen oft wenig über diese Länder und die Ursachen der Flucht." Außerdem gebe es eher Ablehnung gegenüber Farbigen.
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