yahoo.de, 1. Oktober 2000, 14:15 Uhr Bis Juli 394 rechte Gewalttaten Hamburg (dpa) - Bis Ende Juli haben die Verfassungsschützer 394 Gewalttaten mit erwiesenem oder zu vermutendem rechtsextremistischem Hintergrund registriert. Wie die «Frankfurter Rundschau» (Montag) unter Berufung auf einen Lagebericht des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 20. September berichtet, werden für das gesamte Jahr 2000 etwa ebenso viele rechtsextreme Gewalttaten erwartet wie 1999. Im vergangenen Jahr waren es 746, ein Anstieg um 5,4 Prozent gegenüber 1998. Aufzüge von Rechtsextremisten in München und Lübeck brachten am Samstag mehrere tausend Gegendemonstranten auf die Straße. In München standen rund 2 000 Gegendemonstranten etwa 75 Anhängern der NPD auf dem Marienplatz gegenüber. Die Polizei trennte die beiden Gruppen mit rund 200 Beamten voneinander. In Lübeck nahmen rund 800 Menschen an einer Demonstration gegen rechte Gewalt teil. Anlass war ein Aufmarsch von rund 120 Rechtsextremen in der Hansestadt. Im thüringischen Sonneberg löste die Polizei am Sonntag kurz nach Mitternacht ein als Geburtstagsfeier getarntes Treffen von Rechtsradikalen auf. Ein Dutzend Rechte aus Thüringen und Bayern wurde vorübergehend festgenommen. Der Präsident des Bundesgerichtshofs (BGH), Günter Hirsch, warnte unterdessen nach Aufrufen von Politikern zu mehr Härte in Prozessen gegen Rechtsextremisten vor «Stimmungsmache» in der Bevölkerung. Die Justiz könne keine Exempel statuieren. «Niemand darf über seine Schuld hinaus bestraft werden», sagte Hirsch in einem dpa-Gespräch. Wichtig sei allerdings, dass die Urteile möglichst rasch nach der Tat gefällt werden. «Nur schnelles Recht ist gutes Recht.» Nach Erkenntnisses des Verfassungsschutzes gibt es nach wie vor «Ansätze für eine terroristische Bedrohung», zitiert die «Frankfurter Rundschau» aus dem Dossier. Es sei zwar gelungen, durch «operative Arbeit» rechte Gruppierungen zu zerschlagen, bevor diese Anschläge mit Waffen oder Sprengstoff verüben konnten. Aber es könne «nicht ausgeschlossen werden, dass weitere Gruppierungen oder Einzelpersonen - insbesondere als Reaktion auf gewalttätige Aktionen von Linksextremisten - Anschläge planen und ausführen». Mit einem klassischen Konzert in der Kuppel des Berliner Reichstages haben am Sonntag Künstler und Politiker ein Zeichen gegen Intoleranz und Rechtsextremismus gesetzt. Rund 300 geladene Gäste, darunter auch Bundespräsident Johannes Rau (SPD) und Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD), lauschten am Sonntag der «Philharmonie der Nationen» unter der Leitung des Dirigenten Justus Frantz. Rau nannte das Konzert eine «Ermutigung für die Menschen, die guten Willens sind», die Botschaft von Vielfalt und Toleranz an die «jungen Leute» weiterzugeben.
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