Frankfurter Rundschau, 2.10.2000 Stadt Offenbach soll Deserteure einladen Arbeitskreis Asyl will Zeichen setzen / SPD und Grüne signalisieren Aufgeschlossenheit Von Juliane Mroz Nicht überall haben Menschen die Möglichkeit, den Wehrdienst zu verweigern - vor allem, wenn in ihrem Land Krieg herrscht oder auszubrechen droht. Der Arbeitskreis Asyl schlägt vor, dass die Stadt Offenbach einige Deserteure einladen solle, um sie vor Verfolgung zu schützen. OFFENBACH. Stell dir vor es ist Krieg, und keiner geht hin - das ist einfach gesagt, aber wer tatsächlich nicht mitmachen will, wer keine Waffe in die Hand nehmen und auf andere Menschen schießen will, der riskiert in vielen Ländern sein Leben. "Militärangehörige haben oft keinen Reisepass, deshalb bekommen sie auch keine Ausreiseerlaubnis. In Kriegs- und Krisengebieten sind die Grenzen für Männer im Alter zwischen 18 und 60 Jahren ohnehin meist geschlossen", erklärte Rudi Friedrich vom Verein Connection bei einer Podiumsdiskussion des Offenbacher Arbeitskreises Asyl am Freitagabend. Wer verweigert, oder nach der Einberufung desertiert, dem drohen lange Haftstrafen und nicht selten Folter oder gar die Todesstrafe. Wer im eigenen Land untertaucht und erwischt wird, werde zur Strafe an die vorderste Front geschickt, berichtet Friedrich. Solche Verhältnisse herrschten nicht nur in verschiedenen afrikanischen oder südamerikanischen Staaten, sondern beispielsweise auch in der Türkei oder im ehemaligen Jugoslawien. Nur wenigen Deserteuren gelingt es zu fliehen. Aber Asylgesuche von Deserteuren werden in Deutschland oft nicht anerkannt. Zumindest einigen dieser Menschen, die sich dem Wehrdienst entziehen, könnte geholfen werden. Was nach Angaben des Arbeitskreises schon in verschiedenen deutschen Städten funktioniert - darunter Bonn, Rostock und Münster/Westfalen -, könnte auch in Offenbach praktiziert werden. Per Stadtverordnetenbeschluss laden diese Städte Deserteure nach Deutschland ein und beschaffen ihnen eine Aufenthaltsgenehmigung mit eingeschränkter Arbeitserlaubnis. "So könnte die Stadt Offenbach zwar nur zwei oder drei Flüchtlingen helfen, aber sie würde dadurch auf die Situation von Deserteuren aufmerksam machen und ein Zeichen gegen den Krieg setzen", sagt Friedrich. Neben Friedrich saßen auf dem Podium Andreas Schwantner von Amnesty International, Landtagsmitglied und Stadtverordnete Heike Habermann (SPD), der Grüne Landtagsabgeordnete Tarek Al-Wazir und Paul-Gerhard Weiß, Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Offenbacher Stadtparlament. Die Diskussion wurde von FR-Redakteur Joachim Haas-Feldmann moderiert. Veranstalter war der Arbeitskreis Asyl der Offenbacher St. Paul-Gemeinde. Die Offenbacher CDU-Fraktion hatte ihre Teilnahme abgesagt, mit der Begründung, das Thema habe keinen Bezug zu Offenbach, da eine Kommune nicht eigenmächtig Asyl gewähren könne. Das Thema Asyl für Deserteure sei im Bundestag abgehakt worden, keine politisch relevante Gruppe sehe hier Grund zum Handeln. Weiß (FDP) dagegen hält die Forderung des AK Asyl für sinnvoll, "ob sie mehrheitsfähig ist, weiß ich nicht." Grüne, SPD und FWG würden in ihrer Koalition über das Thema sprechen und möglicherweise einen entsprechenden Antrag stellen, kündigten Al-Wazir und Habermann an.
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