Spiegel online, 1.10.2000 Unruhen im Nahen Osten Israelis greifen offenbar mit Raketen an Die jüngste Gewaltwelle im Nahen Osten ist scheinbar eskaliert. Israelische Hubschrauber sollen palästinensische Regierungsgebäude mit Raketen beschossen haben. Gaza/Ramallah - Die israelische Armee feuerte am Sonntag nach palästinensischen Angaben mehrere Raketen auf die Gebäude des palästinensischen Geheimdienstes und der paramilitärischen Einheiten in Rafach bei Gaza. Dabei seien mindestens ein Palästinenser getötet und 65 weitere verletzt worden. Von israelischer Seite wurde der Angriff zunächst nicht bestätigt. Sollte sich die Meldung bestätigen, dann starben im Westjordanland und im Gazastreifen innerhalb von zwei Tagen 26 Menschen bei den gewaltsamen Zusammenstößen. Ein palästinensischer Polizist erlag nach einem Gefecht mit israelischen Soldaten einem Kopfschuss. Ein zwölfjähriger Junge starb am Samstag im Kreuzfeuer palästinensischer Heckenschützen und israelischer Soldaten. Die Autonomiebehörde zog Konsequenzen und schloss alle palästinensischen Schulen bis Dienstag, um zu verhindern, dass Kinder auf dem Schulweg zwischen die Fronten geraten. Am Sonntag lieferten sich palästinensische Demonstranten in zahlreichen Städten erneut Straßenschlachten mit der israelischen Armee. Dabei wurden mindestens 60 Menschen verletzt. Insgesamt stieg die Zahl der Verwundeten seit Beginn der Unruhen am Freitag auf 612, sagte der palästinensische Gesundheitsminister Riad Sanun. Auch die israelische Armee meldete bisher Dutzende Verletzte. Palästinenserpräsident Jassir Arafat rief einen Generalstreik gegen "das brutale Massaker am palästinensischen Volk" aus, der weitgehend befolgt wurde. Das Kabinett Arafats forderte die Vereinten Nationen auf, eine internationale Kommission zur Untersuchung der neuen Gewaltwelle einzusetzen. Nach Überzeugung der Regierungsmitglieder wurden die Unruhen von den Israelis provoziert. In Kairo trat die Arabische Liga zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. Zum Abschluss des Treffens am Sonntagabend wird mit einer scharfen Verurteilung Israels gerechnet. Der Generalsekretär der Liga Esmat el Meguid machte den Besuch des rechtsgerichteten israelischen Oppositionsführers Ariel Scharon auf dem Jerusalemer Tempelberg für den Ausbruch der Gewalt im Westjordanland und im Gazastreifen verantwortlich. Der Informationsminister der palästinensischen Autonomiebehörde, Jassir Abderrabbu, bezeichnete die jüngste Gewaltwelle ebenfalls als "Massaker gegen die Palästinenser, bei denen 30 getötet und 1000 verletzt wurden. Wäre dies irgendwo anders in der Welt geschehen, dann hätten wir eine scharfe internationale Verurteilung erlebt", sagte er. Der iranische Parlamentssprecher Mehdi Karrubi sprach nicht nur Israel die Verantwortung für die jüngsten Ausschreitungen zu. Auch die islamischen Staaten seien für den Tod der Palästinenser verantwortlich: "Schuld ist nicht nur Israel, sondern auch das Schweigen und die passive Haltung der islamischen Regierungen zu den israelischen Verbrechen."
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