taz 4.10.2000, "Mit zweierlei Maß" Abdallah Frangi, Leiter der Generaldelegation Palästina in der BRD, über die Kämpfe der letzten Tage und neue Verhandlungen Sind diese Unruhen nur der Vorgeschmack auf das, was kommen wird, wenn sich Israelis und Palästinenser nicht einigen? Abdallah Frangi: Das würde ich so nicht sagen. Ich betrachte die Unruhen nicht als eine Warnung an Israel. Es ist leider so, dass die Israelis das nicht eingehalten haben, was sie in vielen Abkommen mit uns vereinbart haben. Solange die Israelis als Besatzungsmacht in dieser Region auftreten, wird es diese Art von Konfrontation immer wieder geben. Wem nützen denn diese blutigen Konfrontationen? Wenn irgendein anderer Staat sich das leisten würde, was Israel sich in diesen Tagen geleistet hat, dann würde er sofort international geächtet werden. Nicht so Israel. In Jugoslawien gehen die Menschen auch auf die Straße und demonstrieren für ihre Rechte. Dort ist noch niemand erschossen worden. In Europa und in den USA wird beständig mit zweierlei Maß gemessen. Nicht einmal der Weltsicherheitsrat kann sich ja zu einer Verurteilung durchringen. Was erwarten Sie von den Gesprächen in Paris? Es gibt nur diesen einen Weg der Verhandlungen. Die USA müssen erkennen, dass sie wieder ganz von vorne anfangen müssen. Ein Kompromiss muss gefunden werden. Wie der aussieht, muss zwischen Israelis, Palästinensern und den Vermittlern beraten werden. Anlass der Unruhen war der Besuch von Sharon auf dem Tempelberg. Kann es überhaupt eine Einigung in Bezug auf Jerusalem geben? Wenn Sharon zum Islam übertreten will, ist er jederzeit willkommen. Dann kann er dort auch beten. Aber es ist nicht einsichtig, warum er, der nicht mal in eine Synagoge geht, jetzt auf den Tempelberg muss. Hat Arafat denn jetzt mehr Spielraum für Kompromisse in Jerusalem? Jahrelang ist diese Frage ausgeklammert worden. Das geht nicht mehr. Wird der palästinensische Staat noch in diesem Jahr proklamiert? Der Staat wird ausgerufen werden. Wir haben ihn schon zweimal auf Bitten der Europäer, der Israelis und der Amerikaner verschoben. Ganz besonders auch aufgrund deutscher Bitten. Das ist auch ein Grund für diese Konfrontation. Die Palästinenser haben doch jetzt das Gefühl, von der ganzen Welt im Stich gelassen worden zu sein. INTERVIEW: GEORG BALTISSEN Abdallah Frangi wurde 1943 bei Beersheba im heutigen Israel geboren und wuchs in Gaza auf. Seit den Achtzigerjahren vertrat er die PLO in Deutschland, inzwischen ist er Vertreter Palästinas.
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