web de 03.10.2000 18:50 Hochspannung in Nahost vor Krisentreffen in Paris - Vierte Feiertagszusammenfassung Feuerpause kann Schießereien nicht stoppen - Israel übernimmt Verantwortung für Tod eines Zwölfjährigen Jerusalem (AP)Trotz einer Feuerpause dauern die blutigen Straßenkämpfe im Westjordanland und im Gazastreifen an. Nur wenige Stunden, nachdem Israelis und Palästinenser einen Waffenstillstand vereinbarten, brachen am Dienstag neue Gefechte aus. In der jüdischen Siedlung Nezarim im Gazastreifen wurden mindestens drei Palästinenser erschossen und zehn weitere verletzt. In dieser aufgeheizten Atmosphäre soll ein israelisch-palästinensisches Krisentreffen unter Vermittlung von US-Außenministerin Madeleine Albright am (morgigen) Mittwoch in Paris nach Wegen zur Rettung des Friedensprozesses suchen. Albright wollte zunächst zu getrennten Gesprächen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak und dem palästinensischen Präsidenten Jassir Arafat zusammenkommen. Anschließend wolle sie versuchen, die beiden direkt zusammenzubringen, erklärte US-Außenamtssprecher Richard Boucher. Barak sollte anschließend auf Einladung des ägyptischen Staatspräsidenten Husni Mubarak nach Kairo reisen. Es war zunächst unklar, ob Arafat ebenfalls dorthin reisen würde. Auch in Nablus im Westjordanland eröffneten militante Palästinenser das Feuer auf israelische Soldaten, die das Josef-Grabmal beschützen. Schusswechsel wurden auch aus Ramallah im Westjordanland gemeldet. Nur wenige Stunden zuvor hatte der israelische Militärsprecher Marcel Aviv im Armeeradio verkündet, beide Seiten hätten die Waffenruhe bei Tagesanbruch vereinbart. Der palästinensische Chefunterhändler Sajeb Erakat erklärte hingegen, von einem Waffenstillstand könne wegen der ungleichen Kräfteverhältnisse nicht gesprochen werden. «Es gibt zwei Seiten - die eine schießt, die andere stirbt», sagte Erakat. Bei den weitaus meisten der über 50 Todesopfer seit vergangenem Freitag handelt es sich um Palästinenser. «Wir hoffen, dass es jetzt ein Ende der Unruhen und des Blutvergießens gibt», sagte Ministerpräsident Barak. Sein amtierender Außenminister Schlomo Ben Ami erklärte, er hoffe, dass in Paris eine dauerhafte Beendigung der Unruhen herbeigeführt werden könne. US-Präsident Bill Clinton sagte am Montagabend in Washington, die Eskalation der Gewalt in den Autonomiegebieten sei eine düstere Erinnerung an die Alternative zum Frieden. Dies könnte den Bemühungen um einen Ausweg aus der diplomatischen Sackgasse möglicherweise neuen Auftrieb geben, sagte Clinton. Vater des erschossenen Zwölfjährigen will Rache Die israelische Armee räumte unterdessen ein, der Tod eines zwölfjährigen palästinensischen Jungen, der am Samstag mit seinem Vater in Nezarim zwischen die Fronten geriet, sei offenbar auf einen israelischen Schützen zurückzuführen. Der stellvertretende Generalstabschef Mosche Jaalon äußerte sich «zutiefst betrübt» über den Tod des Zwölfjährigen und erklärte, ein Scharfschütze habe den Jungen irrtümlich für einen Bewaffneten gehalten. Die Fernsehbilder hatten Zuschauer in der ganzen Welt schockiert. Der Vater von Mohammed Aldura rief unterdessen von seinem Krankenhausbett in Amman die internationale Öffentlichkeit auf, den Tod seines Sohnes nicht zu vergessen, und verlangte Rache. Der Zustand des 37-Jährigen, der Schusswunden in Armen und Beinen davontrug, hat sich nach Angaben seiner Ärzte inzwischen stabilisiert.
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