Mannheimer Morgen, 05.10.2000 Archäologen retten die Schätze Istanbul. Das Wasser stieg unaufhaltsam: Nach monatelangen Grabungsarbeiten sind nun erste Teile des "Grabungsgebiets B" in der rund 2300 Jahre alten Legionärsstadt Zeugma gestern in den Fluten des Birecik-Stausees verschwunden. In den vergangenen Monaten hatten rund 300 Archäologen und Arbeiter im Südosten der Türkei versucht, die Schätze vor den steigenden Fluten zu retten. Das niedriger gelegene "Grabungsgebiet A" war bereits im Juni untergegangen. Nach Angaben von Grabungskoordinator Kemal Sertok war die Rettungsaktion für Zeugma, das rund 60 Kilometer östlich der Stadt Gaziantep liegt, erfolgreich. Das Team habe 99 Prozent der geplanten Arbeit geschafft. In den vergangenen Monaten hatten die Archäologen gegen die Zeit gearbeitet: Wo sich einst die erste und einzige Brücke über den Euphrat spannte, entdeckten die Experten zahlreiche römische Villen sowie Bodenmosaiken, Wandfresken, Statuen, Münzen und Tonzeug. Der bekannteste Fund war eine eineinhalb Meter große Statue des Kriegsgottes Mars. Außerdem fanden die Archäologen gut erhaltene Straßen, Treppen und öffentliche Plätze. Die historischen Artefakte sollen später im Museum vom Gaziantep ausgestellt werden. Doch nicht nur alte römische Villen sind in den Fluten versunken. Auch 36 Dörfer mussten wegen des Stausees, der Teil des riesigen Südostanatolien-Projektes mit insgesamt 22 Dämmen und 19 Kraftwerken ist, geräumt werden. Zahlreiche Häuser und Straßen stehen bereits unter Wasser. Für die Archäologen ist die Grabungsarbeit in Zeugma noch nicht zu Ende: Nach einer Pause soll es im kommenden Jahr im "Grabungsgebiet C", das rund 70 Prozent von Zeugma ausmacht, weitergehen. Dieses dritte und letzte Grabungsgebiet wird von den Fluten verschont bleiben und soll später ein Freilichtmuseum werden. dpa |